Nacht der Versuchung
Verlobten alles zu sagen.«
»Ich denke, er weiß es längst?« fragte Pommer ironisch zurück. »Oder hatte ich dich damals, als du mir in eurer Gartenlaube mildtätiges Asyl gewährtes, falsch verstanden?«
Ursula schwieg, ballte die Fäuste.
»Tjaja«, lächelte er und blickte dreist an ihrer Figur hinunter. »Lügen haben hübsche Beine, wie?«
Er streckte die Hände nach ihr aus, aber mit einer wilden Drehung wich Ursula ihm aus. »Laß die Finger von mir!« rief sie erstickt. »Wenn du mich anpackst, schreie ich das ganze Haus zusammen!«
Er schüttelte verständnislos den Kopf. »Wozu bist du dann überhaupt hergekommen, Uschilein?«
»Um dich ein letztes Mal zu warnen!« zischte sie. »Gib dein dreckiges Spiel auf, Fred! Bleib mir und Kurt vom Halse! Du hast dich hier in ein warmes Nest gesetzt, indem du Margit schamlos erpreßt hast. Wer weiß, welche Teufelei du noch gegen Blankers aushecken wirst. Aber mich laß wenigstens jetzt in Ruhe! Wenn du noch ein einziges Mal bei mir auftauchst …«
»Daß ihr Frauen immer gleich so dramatisch werden müßt.« Pommer grinste zynisch. »Dabei hast du die Sachlage im Grunde schon richtig erfaßt, Cousinchen. Mir geht es gut, ich habe einen prima Job, an Geld ist endlich kein Mangel mehr. Das einzige, was mir ab und zu fehlt, bist du. Und deine Freundin Margit, unter uns gesagt. Unsere idyllische Dreisamkeit an der Ostsee will mir einfach nicht aus dem Sinn.«
Aus Ursulas Gesicht wich alle Farbe. So viel unverhohlene Gemeinheit hatte sie selbst bei Fred Pommer nicht erwartet. Sie trat zur Tür zurück, als er näher kommen wollte, und drückte die Klinke hinunter.
»Bleib hier, Cousinchen«, sagte Pommer. »Wir haben uns noch soviel zu sagen.«
»Nein!« schrie sie. »Nein! Niemals! Eher bringe ich dich um! Jawohl, ich bringe dich um, du Schwein! Und wenn es mein eigener Tod wäre … dich schaffe ich noch mal aus der Welt!«
Bei den letzten Worten hatte sie die Tür hinter sich geöffnet. Sie warf sich herum, knallte die Tür ins Schloß und rannte davon.
Am anderen Ende des Flurs standen gerade zwei Direktoren, die zum Konstruktionsbüro wollten. Erschrocken sahen sie sich um.
»Haben Sie das gehört?« fragte der Leiter der Exportabteilung. »Das war eine Morddrohung. Eine glatte Morddrohung.«
Sein Kollege, der technische Leiter, zuckte mit den Schultern. »Wütende Frauen sagen oft solche Dinge, man soll das nicht auf die Goldwaage legen. Immerhin, Pommer hat einen guten Geschmack. Haben Sie die Kleine gesehen, wie sie zur Treppe lief?«
Lachend gingen die beiden Herren weiter und vergaßen den Vorfall bald wieder. Erst viel später sollten sie erneut an diese Minuten erinnert werden …
*
Die Verhandlungen in Barcelona dauerten zwei Tage. Sie waren sehr hart und sehr schwierig. Die spanischen Geschäftsfreunde hatten langfristige Verträge mit Japan, und es kostete Blankers viel Mühe, doch noch eine Chance für die Produkte seiner Firma herauszuholen.
Jeden Abend rief er zu Hause in Hamburg an, sprach lange mit Margit, ließ sich von Monika erzählen, schickte viele Küsse durch den Draht und versprach, so schnell wie möglich zurückzukommen.
Am dritten Tag, nach dem Mittagessen, sagte Direktor Escardos zu Blankers. »Lieber Freund, ich habe gehört, Sie haben sich an der Costa Brava ein herrliches Häuschen gekauft. Wir haben heute nachmittag etwas Zeit. Macht es Ihnen etwas aus, wenn Sie mir Ihre Erwerbung einmal zeigten? Ich habe nämlich die Absicht, mich in Ihrer Nachbarschaft niederzulassen. Und Sie wissen ja, Bauherren wollen immer von den Fehlern ihrer Vorgänger lernen.«
Blankers war einverstanden. Er hatte ohnehin dem Haus am Meer einen kurzen Besuch abstatten und ein wenig nach dem Rechten sehen wollen.
»Wissen Sie was?« schlug er vor. »Ich fahre schon voraus und mache, wenn nötig, ein bißchen Ordnung im Haus. Sie kommen dann gegen vier Uhr nach.«
»Sehr gut.« Direktor Escardos nickte und ließ sich von Blankers die genaue Adresse geben. Pinea de Mar. »Vielleicht haben Sie auch einen guten Tropfen vorrätig«, lachte er.
Eine Stunde später saß Klaus Blankers in dem großen Seat 1800, den Escardos ihm für die Tage in Barcelona zur Verfügung gestellt hatte, und fuhr über die breite Ausfallstraße in Richtung Norden. Vergnügt pfiff er am Steuer vor sich hin. Er hatte wieder einmal Erfolg gehabt. Und morgen ging es zurück nach Hamburg, zurück zu Margit und Monika. Kann ein Mann glücklicher sein als ich?, dachte
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