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Nacht der Versuchung

Nacht der Versuchung

Titel: Nacht der Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wurde. Die Strömung – das haben wir vom Seeforschungsdienst – ist an dieser Küstenstelle so, daß sie erst ins Meer hinaustreibt und dann in einem weiten Halbkreis zur Küste zurückkehrt. Angeschwemmte Gegenstände, darunter auch ein Autoreifen, beweisen dies. Nach allen Erfahrungen müßte also auch der Körper des Verunglückten angetrieben worden sein.«
    »Sie wollen doch nicht etwa behaupten, daß Herr Blankers noch lebt?« fragte Pommer steif.
    »Es ist alles rätselhaft.« Der spanische Oberstaatsanwalt wich aus. Er war vorsichtig. Hier habe ich Preußen vor mir, dachte er. Von ihnen sagt man, daß sie zweihundertprozentig genau und korrekt sind. Aber uns Südländern wird immer eine Schlampigkeit nachgesagt, eine lasche Untersuchung, eine schnelle Entscheidung. Wollen wir also ganz genau sein vor diesen Preußen. Nach spanischer Auffassung ist dieser Blankers natürlich längst tot, von den Fischen angeknabbert. Aber wir wollen einmal so überkorrekt sein wie die Deutschen. Wir haben ja Zeit.
    »Welche Möglichkeiten bestehen noch?« fragte Rechtsanwalt Mühlen.
    »Er kann also noch leben?« hakte der Experte der Lebensversicherung ein. Für ihn galt es, der kleinsten Hoffnung nachzugehen. Fünfhunderttausend Mark Versicherungssumme standen auf dem Spiel, bei Unfall das Doppelte. Für eine Million Mark kann man schon bohrende Fragen stellen und nachdenklich werden.
    Der spanische Oberstaatsanwalt hob beide Hände.
    »Señores«, sagte er philosophisch, »man sieht einer Nuß, wenn sie am Baum hängt, nicht an, ob sie hohl ist.«
    »Aber man kann sie knacken«, warf Mühlen ein. »Und dazu sind wir ja da.« Der deutsche Vertreter der Staatsanwaltschaft, ein forscher Assessor, klatschte in die Hände. »Wann ist die Lokalbesichtigung?«
    »Morgen, Señores.« Die Amtsmiene des spanischen Oberstaatsanwalts verwandelte sich in den Gesichtsausdruck eines lebenslustigen älteren Herrn: »Heute bitte ich Sie, Gast der spanischen Justiz zu sein und sich meiner Führung anzuvertrauen.«
    Am nächsten Morgen fuhr eine Autokolonne auf der gleichen Straße, die auch Klaus Blankers benutzt hatte, zur Küste, nach Pinea de Mar.
    Die Stelle mit dem großen Ölfleck war nun gesäubert, aber man hatte dort, wo das Öl die Straße zum Mordwerkzeug gemacht hatte, mit roter Farbe einen Kreis gezogen. Ein Polizist hielt Wache an diesem Kreis. Am Felsenrand standen ebenfalls vier Polizisten und grüßten stramm, als die Wagen hielten. Leutnant Cordobez eilte herbei und machte Meldung.
    »Wie beim alten deutschen Kommiß«, flüsterte Mühlen amüsiert zu Fred Pommer. Aber dieser hatte keinen Blick für die Szene … er sah etwas seitlich der Absturzstelle ein weißes Kleid im Gras liegen und zwischen den Büscheln flatternde aschblonde Haare.
    Sonja war also schon da, und sie hatte unter Garantie mit dem jungen, feueräugigen Leutnant gesprochen. Daß sie so ruhig und unbeteiligt im Gras lag und übers Meer blickte wie eine sonnenhungrige Urlauberin, mußte einen ganz bestimmten Grund haben. Wußte sie bereits Genaueres? Pommer nagte an der Unterlippe. Auch der junge Staatsanwaltsassessor bemerkte das weiße Kleid und die hellen Haare im Sand und erkannte die attraktive Frau wieder, die hinter ihm im Flugzeug gesessen und deren Beine ihn so aufgeregt hatten. Er wurde ein wenig unsicher, zog an seinem Krawattenknoten und sprach sich innerlich Mut zu, nach dem dienstlichen Geschäft auch ein privates zu beginnen. Vielleicht wurde der Ausflug nach Spanien noch mit einem kleinen Abenteuer gekrönt!
    Die folgenden Stunden gehörten einer systematischen Arbeit; vor allem der Versicherungsexperte erwies sich als ein unangenehmer Mensch, der keinen Augenblick Ruhe gab und die Polizei in Bedrängnis brachte mit der immer wieder gestellten Frage: »Also besteht doch eine Möglichkeit des Überlebens?«
    An Seilen wurden die Mitglieder der deutschen Delegation den steilen Felsen hinuntergelassen, bis zu dem Plateau, an dem die abgerissene Autotür an einem Baum hing. Es war die erste gründliche Untersuchung des Unfallortes, denn Leutnant Cordobez hatte den Tatbestand für klar gehalten: Wo eine Autotüre abgerissen ist, ist das Auto kaputt. Daß es kaputt war, bewies überdies das Autowrack zwischen Gischt und Klippen im Meer. Wozu also noch herumklettern?
    Der deutsche Versicherungsmann aber war genau. Wenn eine Versicherung eine Million auszahlen soll, kann man auch am Seil pendeln, um festzustellen, ob man sie zahlen muß.
    Und

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