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Nacht der Versuchung

Nacht der Versuchung

Titel: Nacht der Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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man fand etwas. Neben der Tür, im verfilzten, harten, salzverkrusteten Gras. Einen Lippenstift!
    Unter den Herren brach ein großes Staunen aus. Selbst Pommer war verblüfft. Dr. Mühlen hielt den Fundgegenstand, eine schöne, goldziselierte Hülse mit einem hellroten Stift, hoch in die Luft.
    »Ich glaube nicht, daß Herr Blankers zu der Kategorie der Männer gehörte, die sich die Lippen schminkt«, sagte er sarkastisch. »Es war also noch eine Frau im Wagen.«
    Betretenes Schweigen. Nur das Gehirn Pommers begann wieder wie ein Automat zu arbeiten. Das werde ich Margit erzählen, gleich als erstes, dachte er. Kläuschen fährt nach Spanien und hat im Wagen eine Mieze! Das wird sie umwerfen, die schöne, stolze Margit. Das wird ihr zeigen, daß alles seine zwei Seiten hat. Der gute, treue, korrekte Klaus Blankers. Der liebe Ehemann. Und hat in Spanien ein Püppchen, mit der er in seinem Landhaus Eiapopeia machen will. Es wird für Margit ein Schock werden, der sie in meine Arme treibt.
    »Uns ist nichts von einer Dame bekannt«, sagte der spanische Oberstaatsanwalt konsterniert. »Auch Direktor Escardos weiß davon nichts.«
    »Natürlich nicht.« Mühlen gab den Lippenstift an Leutnant Cordobez zurück. »Man posaunt ja seine Abenteuer nicht in die Welt hinaus.«
    »Aber die Lage wird dadurch nur noch verwickelter.«
    Der junge Assessor kratzte sich den Haaransatz. »Nun müssen wir nach zwei Leichen suchen.«
    Das große Wort war gefallen. Ein Wort, das der Versicherungsexperte wie Glockenläuten hörte. Alles war nun offen, alles war ungeklärt. Ein Körper kann schon mal spurlos verschwinden. Aber zwei …? Das ist zuviel der Wunder.
    »Es muß also zunächst festgestellt werden, wer die Dame war«, sagte er mit fast jubelndem Tone. »Ohne die Dame ist nun gar nichts mehr zu machen.«
    »Was geht uns die Mieze an?« schrie Pommer. Seine Beherrschung verließ ihn plötzlich. Er übersah die Folgen, die dieser dumme Lippenstift heraufbeschwor. »Gut. Blankers hatte jemanden im Wagen. Und sie ist mit abgestürzt. Ändert das etwas daran, daß der Wagen zertrümmert ist, daß er vierzig Meter tief ins Meer stürzte, daß ein Mensch nach einem solchen Sturz unkenntlich unten ankommt und weggeschwemmt wird? Meine Herren, seien wir doch nicht härter als diese Felssteine! Blankers ist tot!«
    »Wir müssen genau sein, Señor«, sagte der spanische Oberstaatsanwalt. Nun kann man den Preußen einmal zeigen, wie korrekt man bei uns arbeitet, dachte er erfreut. »Uns ist keine vermißte Frau gemeldet worden. Aber es saß eine im Wagen. Was bedeutet das? Entweder hat sie den Sturz überlebt, dann haben wir eine Zeugin – oder sie ist ebenfalls umgekommen, dann muß ja irgendwann einmal eine Vermißtenmeldung kommen.«
    »Bravo«, rief der Versicherungsmann. »Und so lange müssen wir warten … notgedrungen …« Er machte das Gesicht eines Kasperls vor Freude. Eine Million gerettet, dachte er. Ich werde vielleicht Oberinspektor.
    Noch einmal wurde der Lippenstift herumgereicht. Pommer, Fachmann in solchen Dingen, gab ihn wütend an Dr. Mühlen weiter.
    »Ein französisches Fabrikat«, sagte er dabei. »Das gibt es überall.«
    »Also auch in Deutschland?« fragte der Oberstaatsanwalt schnell.
    »Ja.«
    »Das kompliziert die Angelegenheit noch mehr. Dann kann die Dame auch eine Deutsche gewesen sein, die Señor Blankers mitgenommen hat. Wir müssen also auch die deutschen Vermißtenmeldungen durchsehen.«
    »Scheiße!« sagte Pommer ungeniert. Er stieß Rechtsanwalt Mühlen an. »Gibt es da keinen anderen Ausweg? Müssen Juristen immer so um siebzehn Ecken denken?«
    »Die Jurisprudenz ist eine logische Sache.« Mühlen gab den Lippenstift zurück an Leutnant Cordobez. »Logisch ist hier, daß es jetzt zwei Vermißte gibt statt einem. Mit anderen Worten: Es besteht nun auch noch ein zweiter Anspruch auf Klärung des Vorfalls, auch wenn sich von Seiten der Dame niemand melden wird. Die Wahrnehmung dieser Interessen übernimmt dann der Staat. Er hat für Ordnung und Aufklärung zu sorgen.«
    »Ihr Staat kann mich mal, Doktor!« sagte Pommer grob. »Es geht hier darum, ob Blankers tot ist oder nicht. Und jeder vernünftige Mensch muß an diesem Ort sagen: Ja, er ist tot! Ob mit oder ohne Lippenstift, das ist doch wurscht! Wenn Sie es nicht glauben, meine Herren …«, Pommer wandte sich an die Gruppe, die am Rand der Felsenküste stand, »… bitte, springen Sie hinunter! Wenn Sie unten heil ankommen, will ich glauben, daß

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