Nacht der Versuchung
eine Information aus erster Hand, die man nicht wegstoßen sollte.
Pommer kam sich vor wie vor einem Femegericht, als er den Salon der Blankersvilla betrat und sich einer ernsten, düster blickenden Menschenreihe gegenübersah. Dr. Preußig, Baurat Bernhardt, Lisa Bernhardt, zwei Direktoren und, mitten unter ihnen, klein, zierlich, wie ein verängstigtes Vögelchen, Margit in einem dunklen, hochgeschlossenen Kleid. Sie sah ihn nicht an, und da Pommer auch niemand aufforderte, Platz zu nehmen, blieb er stehen und sah mit hochgezogenen Brauen auf das Muster des Perserteppichs.
»Ich will ohne Umschweife sprechen«, sagte er mit einer aufreizend hochnäsigen Stimme, nachdem er die beiden Direktoren gemustert hatte wie Landstreicher. »Ich bitte die gnädige Frau …« , leichte Verbeugung vor Margit, »… meine Offenheit zu verzeihen, aber sie ist notwendig.« Er holte tief Atem und sagte dann seinen Spruch her, den er immer wieder zu Hause memoriert hatte und mit wirkungsvollen Worten anreicherte. »Die Todesursache ist klar: Absturz ins Meer aus vierzig Meter Höhe. Sie, gnädige Frau, kennen ja die Stelle. Die Behörden sind sich einig, nur die Versicherung schießt quer, was bei einer Million Versicherungssumme von ihrem Standpunkt aus verständlich, für mich aber eine anmaßende Unverschämtheit ist. Der Todeserklärung stände nichts im Wege, wenn nicht noch die Suche nach der Dame hinzukäme.«
Das war leichthin gesagt, aber es schlug ein wie eine Bombe. Baurat Bernhardt zuckte zusammen, Margits Gesicht versteinerte sich. Zum erstenmal sah sie Pommer an, haßerfüllt und doch fragend. Lisa Bernhardt faltete zitternd die Hände.
»Eine Dame?« fragte Dr. Preußig heiser. »Welche Dame?«
»Die Dame, die bei Herrn Blankers saß, als er verunglückte. Sie ist zusammen mit ihm umgekommen. Man fand in den Wagentrümmern ihren Lippenstift.« Pommer machte wieder eine Kunstpause, ehe er den neuen Schuß abließ. »Keiner kennt die Dame. Sie muß sozusagen ein Geheimnis des Herrn Blankers gewesen sein …«
Wortlos stand Margit auf und verließ den Salon. Lisa eilte ihr nach, einen verzweifelten Blick auf ihren Mann werfend. Baurat Bernhardt wartete, bis die beiden das Zimmer verlassen hatten.
»Das hätten Sie auch anders sagen können!« rief er dann. »Rücksicht kennen Sie wohl nicht?«
»Ich bat im voraus um Verzeihung.« Pommers Stimme war glatt wie gewachst. »Besagte unbekannte Dame ist ebenfalls im Meer versunken. Das ist der einzige Haken, der eine amtliche Todeserklärung bislang verhindert hat. Für alle Behörden aber steht fest, daß Blankers tot ist. Für mich steht es auch fest. Ebenso klar ist es, daß die Werke eine einheitliche Leitung brauchen. Aufgrund des Vertrauensbeweises von Herrn Blankers, den ich schriftlich habe, bitte ich zur Kenntnis zu nehmen, daß ich die Fabriken ab sofort als treuhänderischer Verwalter für Frau Margit Blankers übernehme. Bitte!«
Er trat zwei Schritte vor und überreichte Dr. Preußig ein Schriftstück. Es war die Ernennung Pommers zum Generalbevollmächtigten der Blankers-Werke. Dr. Preußig las das Schriftstück dreimal, ehe er es an die beiden Direktoren weitergab. Etwas irritiert sah er Pommer an.
»Das ist … eine Generalvollmacht«, sagte er gedehnt.
»Allerdings, Doktor.«
»Da ist gar nichts daran zu deuteln, meine Herren.« Dr. Preußig wandte sich an die verblüfften Direktoren. »Die Leitung der Werke liegt in der Hand von Herrn Pommer.«
»Von mir aus!« Der kaufmännische Direktor gab mit spitzen Fingern das Schriftstück an Pommer zurück. »Ich kündige hiermit und bin bereit, etwaige Konventionalstrafen zu tragen. Das ist mir mein Ausscheiden wert.«
»Ich schließe mich an.« Der andere Direktor preßte die Lippen aufeinander. »Ich war zwar schon beim Vater von Herrn Blankers in der Firma, als die Fabrik nur einhundert Mann beschäftigte – aber unter diesen Umständen … ich gehe sofort.«
»Bitte, meine Herren!« Pommer machte eine winkende Handbewegung. »Direktoren sind zu ersetzen, Facharbeiter nicht. Und diese bleiben mir. Und Ihre Konventionalstrafe, mein Lieber? Glauben Sie, ich nehme von Ihnen Geld an? Ich bin bereit, Ihnen ein Jahresgehalt zu zahlen, wenn Sie sofort gehen!« Er wandte sich mit einem Ruck um und sah Dr. Preußig an. »Und Sie, Doktor? Sie bleiben? Ich hatte schon damit gerechnet, einen neuen Justitiar engagieren zu müssen.«
»Sie täten gut daran, sich um einen Ersatz zu kümmern.« Dr. Preußig sagte
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