Nacht der Versuchung
auch Blankers überlebt hat.«
Schaudernd trat der Oberstaatsanwalt nach hinten. Auch der deutsche Assessor wich zurück.
»Es gibt unwahrscheinliche Dinge auf der Welt, die sich als wahr entpuppen können«, sagte er dabei zögernd. »Obzwar hier …«, er blickte auf die spitzen Klippen im Meer, auf die donnernde Brandung und die Gischt, die hoch gegen die Küste schäumte, »… obzwar hier wirklich jeder sagen kann, daß nach menschlichem Ermessen …«
»Für uns gelten nur Tatsachen!« Der Versicherungsmann hob wie anklagend seine Stimme. »Wir brauchen Beweise, kein menschliches Ermessen!«
»Man sollte die Versicherungen in die Luft sprengen!« schrie Pommer und ging zu den Wagen zurück.
Der Lokaltermin war damit beendet, ohne einen Erfolg erbracht zu haben, wenn man von dem Lippenstift absah, der das Ganze noch komplizierter gemacht hatte. Die Wagenkolonne fuhr nach Blanes und quartierte sich in dem Strandhotel ein. Leutnant Cordobez schlug sich mit dem Protokoll des Lokaltermins herum, aus Barcelona wurde Direktor Escardos nach Blanes gerufen. Er sollte in aller Offenheit Auskunft über die geheimnisvolle Dame geben, sofern er etwas über sie wußte. Kavaliersschweigen war hier nicht mehr angebracht und konnte die Versicherung eine Million und Fred Pommer die Blankers-Werke kosten.
An diesem Abend lernte der junge deutsche Staatsanwaltsassessor an der Hotelbar die attraktive Sonja Richartz kennen. Man sprach über den Flug, über die Landschaft, über den Cocktail und über das Wetter. Später auch über die Liebe. Aber da saß der junge Assessor bereits auf der Couch in Sonjas Hotelzimmer und trank Sekt.
Am Morgen war die deutsche Staatsanwaltschaft davon überzeugt, daß der Fabrikant Klaus Blankers beim Absturz ins Meer getötet worden war.
Der Bericht, den der junge Assessor schrieb, entsprach in allem nur den nüchternen Tatsachen. Es war unerheblich, daß die Versicherung dagegen protestieren und mit einem Verfahren drohen würde.
Wer vierzig Meter tief in ein wildes Meer fällt und mit seinem Auto zerschellt, ist tot! Wer anders denkt, weiß nicht, was Logik ist.
Zwei Tage später flog die deutsche Kommission nach Hamburg zurück. Sonja Richartz blieb in Blanes. Sie hatte ihre Pflicht erfüllt, nun erholte sie sich. Denn der Assessor war ein junger, kräftiger und unverbrauchter Mann.
*
Das Todeserklärungsverfahren schleppte sich trotz des klaren Berichtes mühsam hin. Das Gericht zögerte und verschanzte sich hinter dem spanischen Oberstaatsanwalt, der noch einige Berichte angekündigt hatte. Das Verhör von Direktor Escardos hatte gar nichts ergeben. Blankers war allein von Barcelona weggefahren. Er mußte die Dame also unterwegs eingeladen haben. Eine deutsche Anhalterin? Ein kleines spanisches Nuttchen ? Oder eine Geliebte, die er an einem bestimmten Punkt bestellt und abgeholt hatte? Die Ermittlungen liefen sich tot.
Die einzige, die darüber Auskunft hätte geben können, war Sonja Richartz, aber sie schwieg. Als sie den Lippenstift geschickt den Felsen hinab, neben die abgerissene Tür hatte fallen lassen, wollte sie damit den Mythos der Treue zerstören, der Blankers wie ein Heiligenschein noch im Tod umwehte. Der Lippenstift sollte der letzte, und zwar der tödliche Streich gegen Margit werden. Als Sonja dann erkannte, welche Komplikationen sie damit heraufbeschworen hatte, welche Verzögerungen und ungeahnte Schwierigkeiten, schwieg sie verbissen – aus Angst vor Pommer. Sie blieb auch nicht nur wegen der nötigen Erholung in Blanes zurück, sondern vor allem auch um einen örtlichen Abstand von Pommer zu halten – jedenfalls so lange, bis alles in Deutschland geregelt war und sie nachkommen konnte. Ihre große Hoffnung war der liebe, kleine Assessor, der sich schweren Herzens aus ihren Armen gerissen hatte, um in die Heimat zu fliegen und seine Pflicht zu tun.
Fred Pommer dagegen war aktiver als je zuvor.
Nun, da feststand, daß Blankers amtlich als tot galt, wenngleich die gerichtliche Anerkennung verzögert wurde – die Versicherung hatte prompt durch ihre Anwälte Beschwerde einreichen lassen und forderte ein Obergutachten an –, ging es Pommer jetzt darum, die Macht in der Fabrik endlich ganz an sich zu reißen, bevor dieser widerliche Dr. Preußig Margit zu anderen Schritten überreden konnte.
Margit hatte keine Möglichkeit, Pommer erneut abzuweisen, als er sich nach der Spanienreise bei ihr melden ließ. Selbst Dr. Preußig riet dazu, ihn anzuhören. Es war
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