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Nacht der Versuchung

Nacht der Versuchung

Titel: Nacht der Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sinnlos, daß er sich drei Tage stöhnend auf seinem Lager wälzte und Fernando beschwor, ihn mit der Axt zu erschlagen.
    Am fünften Tag nach dem Schiffsbesuch kreiste ein Hubschrauber über der Insel, ging tiefer und landete auf der Wiese vor Dr. Lopez' Haus. Der alte Arzt saß auf seiner Bank vor der Tür und rührte sich nicht. Auch als die beiden Flieger auf ihn zukamen und sich als Polizisten zu erkennen gaben, stand er nicht auf, sondern kaute an einer Orange.
    »Wo ist dieser Fernando?« fragte einer der Polizisten mit dem Rangabzeichen eines Leutnants.
    »Sucht ihn!« gab Dr. Lopez zur Antwort.
    »Er ist ein gesuchter Mörder!« schrie der Leutnant und warf den Tisch um, an dem Dr. Lopez saß. »Los, Mann, wo ist er? Seit Monaten jagen wir ihn! Wenn Sie uns nicht sagen, wo er ist, werden wir Sie zum Reden bringen!«
    Dr. Lopez sah die beiden Flieger groß an, stand auf und ging in seine Hütte. Dort legte er sich auf sein Bett, kreuzte die Hände im Nacken und schloß die Augen.
    »Alles Idioten«, sagte er halblaut. »Oh, alles Idioten! Wie kann man nur unter solchen Rindviechern weiterleben? Man sollte sich wirklich zu Tode saufen.«
    Die beiden Polizisten fanden Fernando Exposito im Wäldchen hinter dem Haus. Er hackte Holz für den Kochherd. Erstaunt, aber ohne Widerstand, ließ er sich zum Hubschrauber führen, stieg ein und war wenige Minuten später hoch über der Insel und flog dem Festland entgegen.
    Zwei Stunden später kam Estrella in das Doktorhaus und suchte Fernando. Dr. Lopez lag, umgeben von Alkoholdunst, im Bett und sang lallend unzusammenhängende Töne.
    »Haben Sie Fernando gesehen, Don Lopez?« rief Estrella und rüttelte Dr. Lopez an den Schultern. »Wo ist Fernando?«
    »In der Luft. Ein Vögelchen, haha!« Dr. Lopez machte mit beiden Armen die Bewegung des Fliegens. »Ein Pelikan, der flog davon und klapperte gar sehr … haha! Die Welle kommt, die Welle geht, ein toter Fisch, der liegt am Strand … hihi! Du mußt weit laufen und schwimmen und fliegen, mein Mädchen, ehe du ihn wiedersiehst. Weg ist er! Weg! Hui, weg! Haha! Germania est patria nautae! Oder Britannia? Oder … haha … der gute Juan Cortez! Sag, bist du schon schwanger, Estrella?«
    Dann fiel er um und schnarchte.
    Und für Estrella begann ein Rätsel, das sie nie verstand.
    Fernando war gekommen aus dem Nichts und gegangen ins Nichts … Wer sollte das verstehen?
    *
    In Barcelona, wohin man den Unbekannten von Valencia aus brachte, war seine Herkunft bald kein Rätsel mehr. Der Oberstaatsanwalt zog Fernando Exposito den Ehering vom Finger, las die innen eingravierte Inschrift ›Margit‹ und das Heiratsdatum und sagte:
    »Sie sind Klaus Blankers, stimmt es?«
    Fernando schüttelte den Kopf. »Aber nein. Wieso denn? Ich heiße Fernando.«
    »Klaus Blankers!«
    »Ich habe diesen fremdartigen Namen nie gehört.«
    »Und der Ring? Der Name in dem Ring? Der Name Ihrer Frau?«
    »Meine Frau heißt Estrella.« Fernando sah den Ring groß an. »Ich weiß nicht, wie ich zu diesem Ring komme. Ich hatte ihn schon immer, solange ich denken kann.«
    Der Oberstaatsanwalt brach das Verhör ab. Fernando wurde in das Krankenhaus gebracht und gründlich untersucht. Schon die ersten Untersuchungen ergaben, daß der Unbekannte einen schweren Unfall gehabt hatte, vor allem einen Schädelbruch. Das Enzephalogramm zeigte große Hirnstörungen und den Ausfall einiger Zentren.
    »Die Sache ist völlig klar. Dieser Fernando ist Klaus Blankers, aber er hat durch den Unfall seine Erinnerung verloren.« Der Oberstaatsanwalt legte die Untersuchungsergebnisse zur Seite. »Wir werden jetzt die Frau kommen lassen und alles ergibt sich von selbst. Eine Frage bleibt nur offen: Wer war die Frau in Blankers' Wagen und wo ist sie? Darauf werden wir wohl nie eine Antwort bekommen. Zum Kotzen ist das!«
    Noch am gleichen Tag ging ein Telegramm zur Staatsanwaltschaft in Hamburg. Am nächsten Mittag landeten Margit Blankers und ihr Vater, Baurat Bernhardt, in Barcelona. Gleichzeitig fand eine erregte Konferenz zwischen Pommer und Dr. Mühlen statt.
    »Das ist unmöglich!« schrie Pommer immer wieder. »Doktor – wie stehen wir jetzt da? Irgend etwas ist faul an dieser Sache. Diesen Sturz kann kein Mensch überleben.«
    »Abwarten, Herr Pommer.« Mühlen las noch einmal das Telegramm durch, das er von der Staatsanwaltschaft abschriftlich bekommen hatte. »Hier steht: ›Erbitten Anwesenheit Frau Blankers' zwecks Identifizierung von Klaus Blankers.‹

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