Nacht der Versuchung
es mit steifer, aber heiserer Stimme. Die Erregung preßte ihm die Kehle zu. So geht ein altes Werk zugrunde, dachte er bitter. Und wir haben keine Macht, das aufzuhalten. Er hat eine Generalvollmacht.
»Dr. Mühlen wird sofort eintreten.« Pommers Gesicht glänzte vor Triumph. »Ich nehme an, daß auch Sie fristlos kündigen.«
»Natürlich«, stotterte Dr. Preußig. »Das war meine Absicht.«
Er ist ein Satan, dachte er. Gegen ihn kommt niemand an. Er überfährt jeden, und man ist sogar noch glücklich, daß man überlebt.
Als Sieger verließ Fred Pommer die Blankers-Villa. Als Herr über tausend Arbeiter.
Der nächste Schritt würde Margit sein.
Nach der Todeserklärung die Hochzeit mit ihr.
Die endgültige Festigung des kleinen Pommer-Imperiums.
Was dann folgte, sollte ein Rachefeldzug gegen die hochnäsige Verwandtschaft werden. Eine Rache, die man nie vergessen sollte.
Es waren große Pläne, die Pommer im Kopf wälzte, als er aus der Blankersvilla kam. Und es waren Pläne, deren Verwirklichung er greifbar vor sich sah. Das kleine Hindernis Sonja Richartz, das letzte Hindernis überhaupt, konnte man mit Geld wegräumen. Es war kein Problem mehr.
Wer hätte das geglaubt, dachte er, als er durch den Schnee zu seinem Wagen ging, damals, in jener Nacht an der Ostsee?
Wie merkwürdig und märchenhaft doch das Leben sein kann.
*
Fernando Exposito , der Findling von Juan Cortez, Gehilfe von Dr. Lopez und Geliebter der schönen, heißblütigen Estrella, gesundete sichtlich unter der liebevollen Pflege. Der Schädelbruch heilte aus ohne sichtbare Stauungen im Gehirn, ohne Kreislaufstörungen, ohne Intelligenzverletzung. Nur das Erinnerungsvermögen war gelöscht – hier mußte eine Quetschung des Hirnes die für diese Funktionen verantwortlichen Nerven und Ganglien abgetötet haben.
»Er bleibt also dein Fernando«, sagte Dr. Lopez nach einer letzten Untersuchung. »Kinder, zeugt ein neues Inselgeschlecht; das alte droht ohnehin zu degenerieren.«
Das Leben auf der kleinen Insel Baleanès war paradiesisch. Krank wurde kaum jemand, Dr. Lopez beschäftigte sich damit, einen herrlichen Garten zu pflegen, und Fernando und Estrella saßen jetzt oft oben auf der Hügelkuppe neben der Fahnenstange und blickten weit übers Meer, vor allem, wenn die Sonne wie ein Feuerball unterging, das Meer violett wurde und die silbernen Körper der Tümmler durch ein flüssiges Gold schnellten.
Für Juan Cortez, den biederen Fischer, aber ergaben solche Situationen ein Problem. Wenn er auch ein armer Tropf war, so lebte doch in ihm die alte spanische Ehre, die verlangte, daß jemand, der mit einem unbescholtenen Mädchen abends Hand in Hand spazierengeht, ohne elterliche Begleitung wohlverstanden, dieses Mädchen auch heiraten muß.
»Er wird sie heiraten, Juan«, beruhigte Dr. Lopez die erregten Vorhaltungen von Cortez. »Mein Gott, er läuft ja nicht davon!«
»Worauf wartet er dann noch?« schrie der Fischer.
»Er wartet nicht, sondern ich. Du hast ihn aus dem Meer gefischt, und er trug an seiner rechten Hand einen Ring. Also ist er bereits verheiratet.«
»Ich bringe ihn um!« sagte Cortez dumpf. »Estrella wird keinen ehrbaren Mann mehr bekommen, wenn das bekannt wird.«
Dr. Lopez winkte ab. »Du bist zu hitzköpfig, Juan. Abwarten, heißt es. Wir wissen nicht, wer er ist. Dort, woher er gekommen ist, wird er als tot gelten. Hier heißt er Fernando Exposito. Aber das erkennt keine Behörde an. Kein Pfarrer wird ihn mit deiner Tochter trauen.«
»Also bringe ich ihn doch um«, sagte Cortez dumpf.
»Aber warum denn?« Dr. Lopez setzte Cortez ein Glas seines schweren roten Weines vor. »Als ich vor vielen Jahren auf eure Insel kam, warst du zehn Jahre alt, ein Lausejunge wie alle. Deine Mutter habe ich gepflegt, als sie an der Schwindsucht starb. Auf dem Sterbebett hat sie mir gebeichtet, daß der alte Cortez, dessen Namen du trägst, gar nicht dein Vater ist. Es war ein Landarbeiter aus Castellón, den deine Mutter kennenlernte, als sie für sechs Monate an der Küste in der Konservenfabrik beschäftigt war.«
»Das ist nicht wahr!« Juan sprang auf und warf dabei das Glas um. Sein Gesicht war dunkelrot. »Da lügen Sie, Don Lopez!« Er bebte am ganzen Körper und war in der Stimmung, das Dach über Lopez' Kopf einzureißen. »Meine Mutter war die ehrbarste Frau!«
»Hinterher. Natürlich. Dein Vater hätte sie durchgeprügelt wie einen störrischen Esel.« Dr. Lopez zog den bebenden Cortez wieder auf die Bank
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