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Nacht der Versuchung

Nacht der Versuchung

Titel: Nacht der Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sie nicht wegzaubern. Und es ist besser, ich bin bei der Begegnung dabei, als wenn es später außerhalb der Klinik geschieht und dann vielleicht zu einem Skandal kommt.«
    Mit zitternden Beinen folgte Estrella dem Mann in dem weißen Kittel über einen stillen Gang mit vielen weißen Türen. Gleich werde ich Fernando sehen, klopfte ihr Herz. Gleich wird er die Arme ausstrecken und »Mein Vögelchen!« zu mir sagen. Und ich werde vor seinem Bett auf die Knie fallen, ihn küssen und umarmen und dann der Madonna danken, daß sie uns beschützt hat.
    Eine weiße Tür wie alle anderen. Mayfelder klopfte kurz an und trat ein. Estrellas Beine zitterten so stark, daß sie sich draußen an die Flurwand lehnte und der kleine Kunstlederkoffer auf den blanken Mipolamboden fiel.
    Klaus Blankers saß im Bett, im Rücken durch vier dicke Kissen gestützt, und aß den vom Mittagessen zurückbehaltenen Vanillepudding mit Erdbeersirup.
    »Sie haben Besuch, Herr Blankers«, sagte Professor Mayfelder. »Eine junge Dame.« Er drehte sich zur Tür, winkte in den Flur und zog dann Estrella in das Zimmer.
    Verwundert sah Blankers das langhaarige Mädchen im spanischen Sonntagskleid und der schwarzen Mantilla an. Dann wanderte sein Blick zu Mayfelder, und er hob leicht beide Schultern. Besuch? Wer ist das?
    Estrellas Herz setzte einen Schlag lang aus, um dann wie rasend in der Brust zu hämmern. Sie hob die Arme, streckte sie Blankers entgegen, aber sie kam nicht näher. Ihre Beine waren wie gelähmt.
    Er ist es, durchjagte es sie. Wie elend er aussieht unter dem dicken Verband, wie spitz er geworden ist, wie blaß und eingefallen. Und wie braun und stark und schön war er auf Baleanès. Weißt du noch, wie wir am Strand saßen und aufs Meer blickten, und die Delphine sprangen aus den Wellen und ihre silbernen Leiber glitzerten in der Sonne …
    »Fernando …«, sagte sie leise. Soviel Zärtlichkeit, so unendliche Liebe lag in diesem Wort, daß Professor Mayfelder erschüttert den Kopf senkte. »Fernando …«
    Klaus Blankers starrte das Mädchen an und stellte die Puddingschale auf das Nachttischchen. In seinen Augen spiegelte sich Erstaunen.
    »Guten Tag«, sagte er. Seine Stimme war wieder klar und deutlich, wenn auch noch nicht so kraftvoll wie früher.
    »Fernando!« stammelte Estrella wieder.
    Blankers schüttelte leicht den Kopf. »Ich bedauere, Herr Professor – aber wer ist die junge Dame? Ich kenne sie nicht. Meint sie mit Fernando etwa mich?«
    »Ich glaube ja«, antwortete Mayfelder ausweichend. »Eine Bekannte von Ihnen aus Spanien, sagt sie.«
    »Ich kann mich nicht erinnern.« Blankers betrachtete Estrella. Man sah es an seinen Augen, daß er nach innen forschte, daß er versuchte, dieses plötzliche Rätsel zu lösen. Er dachte an Barcelona, an Blanes, an irgendeine Bekanntschaft auf dem Markt, an Händler, mein Gott, man kommt mit Hunderten von Menschen zusammen. Nur an die kleine Insel Baleanès dachte er nicht … er hatte sie vergessen, als habe es sie für ihn nie gegeben.
    »Ich weiß wirklich nicht, wo ich die junge Dame hintun soll«, sagte er zu Mayfelder. »Kann sein, daß ich sie in Spanien einmal gesehen habe.«
    »Sie ist die Tochter eines Fischers«, erklärte Mayfelder.
    Wieder schüttelte Blankers leicht den Kopf. »Völlig rätselhaft, Herr Professor. Ich habe keinen spanischen Fischer in meiner Bekanntschaft.«
    Estrella verstand von diesem Gespräch nichts, aber sie sah, daß Fernando mehrmals den Kopf schüttelte, daß er sie wie eine Fremde ansah, daß er sie verleugnete. Das gab ihr einen heißen Stich ins Herz, sie warf die Arme hoch empor, und ehe Professor Mayfelder sie festhalten konnte, stürzte sie auf das Bett zu und fiel neben Blankers auf die Knie.
    »Fernando!« schrie sie dabei. »Hast du alles vergessen? Du liebst mich doch! Du liebst mich! Du kannst mich doch nicht wegtreten wie einen Hund …«
    In diesem Augenblick wurde die Tür aufgerissen. Zuerst erschien ein riesiger Strauß weißen Treibhausflieders, dann ein kokettes Hütchen, schließlich in einem Pelzkostüm Sonja Richartz.
    »Mein lieber, lieber Klaus!« rief sie, ehe der sprachlose Mayfelder einschreiten konnte. »Wie glücklich bin ich, daß Gott Sie so beschützt hat! Sie wissen ja gar nicht, wie ich um Sie gezittert habe …«
    »Wo kommen Sie denn her?« Professor Mayfelder faßte Sonja Richartz ungalant am Ärmel und zog sie zur Tür zurück. »Wie kommen Sie unangemeldet auf die Station?«
    Am Bett hatte sich Estrella

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