Nacht der Versuchung
als Gegner, und Intrigieren muß gelernt sein. Ein Amateur fliegt dabei schnell auf die Nase. Er lächelte spöttisch und stellte das Glas auf den Tisch zurück.
»Seien wir also wie Limonade, lieber Doktor«, sagte er sarkastisch. »Süß und klebrig. Einen Bruderkuß brauche ich den Herren wohl nicht zu geben?«
»Ich glaube kaum.« Dr. Mühlen lächelte fade. »Ich würde sogar raten, an die Herren einen persönlichen Brief zu schreiben und sie zu bitten, zurückzukommen. Das macht sich gut, auch wenn sie nicht darauf antworten werden, wie ich sie kenne.«
»Auch dieses tue ich. Alles für die Firma!« Pommer sprang auf. »Und wenn Blankers gesund entlassen wird?« fragte er gedehnt.
Dr. Mühlen schob die Unterlippe vor. »Für diesen Fall sollten Sie zweierlei bereithalten. Entweder eine große Show mit dem Tenor: Ich wollte immer nur das Beste! Fehlgriffe sind auf meine seelische Erschütterung zurückzuführen … oder: Ausscheiden aus der Firma, und dann sofort! – Ich nehme an, daß Sie sich ein finanzielles Polster geschaffen haben.«
»Ja, natürlich.« Pommer trat an das hohe Stahlfenster seines Direktionsbüros.
Ein finanzielles Polster, dachte er. Natürlich habe ich es nicht. Aber Margit wird mich weich betten und mir die Zukunft vergolden, wenn ich sie an Vergangenes erinnere. Die Aussprache wird scheußlich sein – aber was bleibt einem Mann anderes übrig, dessen Leben immer nur aus der Tasche der anderen floß?
*
Am zehnten Tag erkannte Blankers seine Frau Margit wieder.
Er schlug die Augen auf, starrte das Gesicht, das sich über ihn beugte, lange an … dann glitt ein ganz, ganz zaghaftes Lächeln über seine Lippen, er versuchte die Arme zu heben, und als sich Margit tief zu ihm hinunterbeugte, hörte sie, wie ein Wehen, ihren Namen. »Margit … Liebling …«
»Klaus …«, stammelte sie. »O Klaus!« Sie küßte ihn auf die zitternden Lippen und schob ihre Finger in seine über die Bettdecke tastende Hand. »Nun bist du wieder bei mir. Nun wird alles gut!«
Blankers schloß die Augen. Wirre Bilder kreisten in seinem Kopf. Eine Straße an der spanischen Küste, ein Auto, das sich plötzlich um die eigene Achse drehte, eine Absperrung zersplitterte, und dann war plötzlich eine Leere da, die aus Himmel und Meer bestand, wie schwerelos schwebte er dahin … und nun lag er in einem weißen Bett, der Kopf schmerzte höllisch, er konnte sich nicht bewegen, wie Blei rann das Blut durch seine Adern.
»Was ist, Margit?« flüsterte er. »Wo bin ich denn? Wo ist das Auto?«
»Du bist in Köln, Liebster.« Margit hielt seine unruhigen Hände fest. »Du bist operiert worden.«
»Der Sturz … über den Felsen … ins Meer …«
»Ich weiß, Liebster.« Margit streichelte seine Hände. »Nun ist alles gut, Klaus. Sprich nicht zuviel.«
»Du bleibst hier?«
»Ich bin Tag und Nacht bei dir. Ich gehe bestimmt nicht weg.«
»Das ist schön!« Der Körper Klaus Blankers' streckte sich. Er schlief ein, erschöpft von den wenigen Worten wie nach einer ungeheuren Anstrengung.
Professor Mayfelder kam am Nachmittag und war sichtbar erfreut. »Wir haben gewonnen!« sagte er, und in seiner Stimme war keinerlei Skepsis mehr. »Er erinnert sich, er spricht zusammenhängende Sätze, Herz und Blutdruck sind verhältnismäßig gut. Liebe kleine Frau, wir haben hier das Glück für uns gepachtet.«
Nach vierzehn Tagen war Blankers so kräftig, daß er zum erstenmal für zehn Minuten Dr. Preußig empfangen konnte.
Dr. Preußig hatte genaue Anweisungen dafür, was er sagen durfte. Keine Aufregung für den Patienten. Nur Erfreuliches erzählen. Lügen, alles liefe normal. Bei der Frage nach Pommer: Ja, Herr Pommer handelt ganz in Ihrem Sinne. Die Wahrheit sollte erst gesagt werden, wenn Blankers wieder selbst entscheiden konnte. Wann das war, das konnte selbst Professor Mayfelder noch nicht sagen.
In diesen Tagen fand auch die Odyssee der kleinen Estrella Cortez ein Ende. Es war eine traurige Fahrt: von Stuttgart wieder als blinder Passagier nach Hamburg, wo sie in der Bahnhofshalle Landsleute, Gastarbeiter eines Hamburger Werkes, traf. Zwei Tage wohnte sie heimlich bei einer spanischen Familie in einem Barackenwohnheim, bis ihre Landsleute erfahren hatten, daß der Fabrikant Klaus Blankers in Köln sei und daß man ihn operiert habe. Ein Metallarbeiter aus Murcia, der in den Blankers-Werken in der Dreherei arbeitete, brachte die Nachricht mit.
Von Hamburg nach Köln fuhr Estrella mit einer Fahrkarte,
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