Nacht der Versuchung
aufgerichtet. Mit funkelnden Augen stand sie da, leicht nach vorn gebeugt, wie ein zum Sprung bereites Raubtier. Instinktiv spürte sie, daß diese andere Frau eine Gefahr für sie bedeutete. Sie war bereit, Fernando mit Krallen und Zähnen zu verteidigen.
Sonja Richartz legte den großen Fliederstrauß auf einen Tisch und sah Professor Mayfelder stolz an. »Ich nehme an, Sie sind hier Arzt?« sagte sie voller Hochmut. »Ich will Ihnen einen Trick verraten: An der Pforte sagte ich, ich wolle privat zu Professor Mayfelder. Privat und der Blumenstrauß, das genügte, um nicht zu fragen. Natürlich kenne ich Ihren Chef gar nicht. Dann war ich hier – die Zimmernummer von Klaus wußte ich – und hatte mir genau ausgerechnet, daß sich um diese Zeit die Schwestern in der Kapelle zum Gebet versammeln und nur die Putz- und Teeküchenmädchen auf Station sind. Glauben Sie, ein Putzmädchen könnte mich hindern, dahin zu gehen, wohin ich will?«
»Bitte, verlassen Sie sofort das Zimmer!« sagte Professor Mayfelder höflich, aber bestimmt. »Der Kranke braucht Ruhe.«
»Und der kleine schwarze Teufel da? Wer ist das?« Sonja Richartz musterte Estrella mit giftigen Blicken. Eine südliche Schönheit, dachte sie. Ein wunderbares Mädchen. Wie kommt Blankers an solch ein Tierchen?
»Hinaus!« sagte Mayfelder jetzt grob. »Zwingen Sie mich nicht, Hilfe zu holen!«
»Das ist Frau Richartz«, sagte in diesem Augenblick Blankers. Er war aus seiner Erstarrung erwacht, in die ihn der wilde Ausbruch des fremden spanischen Mädchens gestürzt hatte. »Frau Richartz ist nun wirklich eine alte Bekannte von mir, Herr Professor.«
»Da soll man sich noch auskennen!« Mayfelder sah auf seine Uhr. »Eine Viertelstunde, Herr Blankers, dann komme ich wieder mit zwei Pflegern und räume das Zimmer! Erwarten Sie sonst noch Besuch? Ich habe heute Überraschungen genug erlebt!«
Mayfelder verließ das Zimmer, ohne eine Antwort abzuwarten. Sonja Richartz nahm den Fliederstrauß, legte ihn Blankers aufs Bett und setzte sich auf der anderen Bettseite auf einen Stuhl. Estrella starrte sie mit verkniffenen Lippen an. Könnten Blicke tödlich sein, so wäre Sonja Richartz jetzt eines mehrfachen Todes gestorben.
»Sie sehen gut aus, Klaus«, sagte Sonja heuchlerisch. »O Gott, war das eine Aufregung in den letzten Wochen. Als ich von dem Unglück erfuhr, bekam ich einen Herzanfall.« Sie sah über das Bett hinweg auf Estrella. »Eine Bekannte von Ihnen aus Spanien?«
»Ich danke Ihnen für die Blumen, Sonja.« Blankers lächelte schwach. »Ich finde es nett, daß Sie sich nach Köln verirrten, um mich zu besuchen.«
»Ich habe an nichts anderes mehr gedacht.« Sonja Richartz legte ihre gepflegte Hand mit den langen roten Nägeln auf Blankers' blasse Hand. Estrella sah es mit einem bösen Knurren. Es klang wie das Rumoren eines gereizten Tigers. »Ein hübsche junge Dame, Klaus. Tochter eines Geschäftsfreundes?«
»Sie werden es nicht glauben, aber ich kenne sie gar nicht.«
»Und das soll ernst sein?« Sonja lachte perlend. »Klaus, halten Sie mich nicht für dumm!«
»Das habe ich nie getan, Sonja.« Blankers schielte zu Estrella. Ihre Augen glühten, ihr wunderschönes, wildes Gesicht war unter der natürlichen Bräune gerötet. Es wirkte jetzt wie Kupfer. »Ich weiß selbst nicht, was ich davon denken soll. Ich kenne die junge Dame wirklich nicht … leider.«
Sonja Richartz verzog den Mund. Man sah, daß sie nichts glaubte. Aber einer Antwort wurde sie enthoben. An der Tür klopfte es schnell und leise, und dann trat Margit ein. Sie machte einen Schritt ins Zimmer, schloß die Tür und blieb dann erstarrt stehen. Sonja Richartz lächelte böse.
»Guten Tag, meine Liebe«, sagte sie gedehnt. »So trifft sich alles am Krankenbett. Sie sehen übrigens etwas abgespannt aus. Kein Wunder bei diesen Aufregungen. Oh, wie ich Ihnen das nachfühlen kann!«
Stumm sah Margit von Sonja Richartz zu Estrella Cortez. Die Gedanken wirbelten durch ihren Kopf. Sie ist eine Spanierin … sie sitzt an seinem Bett … der Lippenstift neben dem Autowrack … eine Frau war bei ihm, als er abstürzte … ist sie es … natürlich ist sie es … warum sitzt sie sonst an seinem Bett … Und wie sie mich anstarrt … wie eine Raubkatze … Wenn sie es könnte, würde sie mich anspringen …
Sonja Richartz interessierte sie wenig. Mit dem feinen Instinkt der Frau spürte sie, daß die große Gefahr von dem wunderbaren, zigeunerhaften Mädchen ausging. Mit
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