Nacht der Versuchung
Auftragsdecke von sechs bis sieben Jahren verschafft hat. Wir können in keine Krise mehr kommen, sofern nicht die allgemeine Weltlage krisenhaft wird.«
»Wozu diese Laudatio?« rief der kaufmännische Direktor und legte den Bericht mit einem Knall auf den Tisch. »Wollen Sie damit sagen, Dr. Preußig, daß dieser Pommer unentbehrlich ist?«
»Wenn der Chef zurückkommt, wird er diesen Eindruck gewinnen, und wir können es ihm nicht einmal übelnehmen. Deshalb habe ich Sie ja hergebeten zu einer Sondersitzung, über die wir natürlich kein Protokoll abfassen. Sie ist intern und bleibt ganz unter uns. Frage: Was können wir tun, um Pommer abzuschießen, wenn der Chef wiederkommt?«
»Wann kommt er denn wieder?« fragte der Exportdirektor.
»Weihnachten soll er zu Hause sein. Ich nehme an, daß er Ende Januar zum erstenmal wieder im Betrieb sein kann. Aber er wird sich natürlich vorher über alles informieren.«
»Durch Sie, Dr. Preußig.«
»Und durch Pommer. Wir können es nicht verhindern, wenn er ihn sprechen will. Deshalb meine Frage: Was ist gegen Pommer zu tun? Hat einer der Herren Beobachtungen gemacht, die ihn beim Chef in Mißkredit bringen können?«
»Laufend Weibergeschichten!«
»Das ist privat. Der eine spielt Tennis, der andere Golf, der dritte mit Frauen. Das ist Sache der Lebensauffassung und der Kondition. Hat sich Pommer geschäftlich etwas ankreiden lassen?«
»Die Exportpreise nach Japan liegen um fünf Prozent Gewinn für uns, das ist keine Kalkulation mehr«, sagte der Exportdirektor. »Man kann nicht Geschäfte um jeden Preis machen.«
Dr. Preußig hob die Augenbrauen und dann beide Arme. »Man kann, lieber Dr. Wolff. Pommer hat berechnet, daß uns der Japanauftrag trotz der nur fünf Prozent Gewinn auf die Dauer von fünf Jahren mehr einbringt als ein anderer zeitlich kleiner Abschluß mit zwanzig Prozent Gewinn. Meine Herren, Pommer mag ein Ganove sein – rechnen kann er.«
Die Sitzung dauerte eine Stunde. Dann war man sich einig, daß Pommers Stellung im Augenblick unangreifbar war. Vor allem die merkwürdige Generalvollmacht, die er besaß, machte ihn zum Alleinherrscher nach Blankers. Daran war nicht zu rütteln.
»Ich verstehe es nicht, meine Herren«, sagte Dr. Preußig abschließend, »wieso der Chef eine solche Vollmacht ausstellen konnte. Und ich habe das Gefühl, daß auch hier etwas nicht stimmt. Nur Beweise brauchen wir, meine Herren. Beweise! Mein Gott, ich kann doch Herrn Blankers nicht fragen: Haben Sie das unterschrieben, wenn seine Unterschrift daruntersteht. Und sie ist nicht gefälscht. Das habe ich untersuchen lassen.«
»Warten wir also weiter ab.« Der kaufmännische Direktor schloß seine Aktenmappe. »Ich bin da einer Sache auf der Spur, über die ich eigentlich noch nicht sprechen wollte – aber wenn ich Ihr Wort habe, meine Herren: Die Aufträge für die beiden Entwicklungsländer in Schwarzafrika kamen über einen Lobbyisten zustande. Julius Freddeli heißt der Mann. Ein Schweizer. Seine Provision von 45.000 Schweizer Franken wurde auf ein Züricher Konto überwiesen. Nur: Diesen Freddeli kennt keiner im internationalen Geschäft, obwohl dort doch sonst alle untereinander bekannt sind. Auch in Bonn, das ja das Geld geben wird, ist er nicht aufgetaucht. Alles ging schriftlich von Zürich aus, Vorbesprechungen, Verträge, Unterschriften. Alles per Post.«
»Sie meinen – Pommer und ein Strohmann in der Schweiz?« fragte Dr. Preußig atemlos.
Dr. Hallersleben, der kaufmännische Direktor, hob die Schulter.
»Ich weiß nicht … aber Pommers Anwalt, Dr. Mühlen, war in letzter Zeit oft in der Schweiz.«
»Puh! Das wäre etwas!« Dr. Preußig atmete tief auf. »Wenn sich das beweisen ließe, meine Herren … Es wäre ein glatter Denkmalssturz.«
*
Zwei Tage später fuhr Estrella zurück nach Spanien.
Der spanische Konsul hatte ihr nach einer Aussprache mit Margit alles erklärt. Zunächst begriff es Estrella nicht, denn wie kann ein einfaches Fischermädchen verstehen, daß es einen Fernando gar nicht gibt. Daß der Mann, der sie am Strand von Baleanès küßte, nicht mehr weiß, daß er sie geliebt hatte. Daß der Mann, der im Krankenhaus lag, ein völlig anderer war und doch derselbe … Sie schüttelte immer wieder den Kopf, hob dann beide Hände und beteuerte eindringlich:
»Aber er wohnte doch bei Don Lopez, dem Arzt. Ich weiß doch, wen ich geküßt habe. Das gibt es doch gar nicht, daß er mich nicht mehr kennt!«
»Er war krank, sehr
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