Nacht der Zaubertiere
stammten größtenteils aus dem 18. Jahrhundert. Zack wußte, daß die meisten Leute diesen Ort besonders reizvoll fanden, er aber haßte ihn. Er haßte alte, historische Häuser, teils weil ihn Geschichte langweilte, aber vor allem, weil es üblich war, alte Häuser schön zu finden, und Zack tat nie etwas, was von ihm erwartet wurde.
Neue Häuser mit kahlen Fronten und geraden Winkeln haßte er natürlich genauso. Das Gefängnis, in dem er die letzten fünfzehn Jahre zugebracht hatte, war ein modernes, sauberes Gebäude gewesen, bis zum letzten Winkel nützlich und zweckmäßig, und Zack haßte alles, was ihn an seine Strafe erinnerte.
Er war müde und naß bis auf die Knochen. Seine billigen Schuhe, die aus dem Gefängnis stammten, waren völlig durchweicht und begannen sich in den Nähten aufzulösen. Regen war ihm unter den Mantelkragen geronnen, so daß auch sein Hemd und seine Jacke klamm und feucht waren. Er fühlte sich schmutzig, klebrig und erschöpft. Er hätte sich ein Zimmer für die Nacht suchen können, aber irgend etwas zog ihn ins Zentrum des verschlafenen Städtchens.
Vier Straßen trafen sich beim Marktplatz, in dessen Mitte ein kleiner Park lag. Er hatte außer einem Stückchen winterbraunem Rasen und zugedeckten Blumenbeeten zwei mächtige Ahornbäume und einen großen Marmorbrunnen mit drei Schalen vorzuweisen. Der Brunnen war abgestellt, aber die Schalen flössen vom Regenwasser über. Auf der änderen Straßenseite reihte sich ein Geschäft ans andere: ein Antiquitätenladen, eine Eisdiele, ein Friseur, eine Drogerie, ein paar Boutiquen und ein Buchladen. Sie waren alle geschlossen und finster, bis auf die Lichter in den Schaufenstern.
Es gab auch eine kleine Bushaltestelle, und als Zack sie erblickte, wußte er plötzlich, daß es diese Haltestelle war, die ihn zum Marktplatz gezogen hatte. Ein merkwürdiges Gefühl ergriff von ihm Besitz. Fast als ob er hypnotisiert wäre, und so
ging er hinüber, stieß die Tür auf und trat in das nackte Neonlicht.
Am anderen Ende des Warteraums saß ein einsamer Beamter hinter der Theke und las ein Taschenbuch. Aus einem Radio kam Musik aus den vierziger Jahren. Es tat Zack gut, wieder ah einem warmen, trockenen Ort zu sein. Etwas blitzte auf dem Fußboden auf und erregte Zacks Aufmerksamkeit. Er schaute näher hin und sah einen Messingschlüssel auf den grünen Fliesen liegen. Er bückte sich, hob ihn auf und stellte fest, daß er eine Nummer trug.
Der Beamte schaute nicht von seinem Buch auf.
Zack hatte immer noch das merkwürdige Gefühl und bewegte sich wie eine Marionette an einer Gruppe von Holzbänken vorbei zu einer Wand mit Schließfächern. Er suchte das Schließfach, das dieselbe Nummer wie der Schlüssel trug, und machte es auf. Es enthielt einen einzigen Koffer. Er hatte das Gepäckstück noch niemals gesehen, aber es trug seine Initialen: Z. Z.
Er trug den Koffer in die Herrentoilette, stellte ihn auf die Ablage neben den Waschbecken und klappte ihn auf. Er war bis zum Rand voll von Geldscheinen. Sicher ein paar tausend Dollar.
»Was ist denn das?« stammelte Zack, so erschrocken, daß er in die Wirklichkeit zurückkehrte.
Eine sanfte, aber tiefe Stimme antwortete: »Das ist das Geld für den Kauf der Spielzeugfabrik.«
Zack fuhr zusammen und schaute sich um. Er war immer noch der einzige im hellerleuchteten
Raum der Herrentoilette. Nach ihm hatte sie kein anderer betreten.
»Schau in den Spiegel, Zack.«
Er wirbelte zum Waschbecken herum. Wo er sein eigenes Bild im altersfleckigen Spiegel hätte sehen müssen, erblickte er statt dessen ein Schattenantlitz, das fast nicht mehr menschlich zu nennen war.
»Die Spielzeugfabrik aus deinem Traum der vorigen Nacht«, sagt das Ungeheuer im Spiegel, »es ist deine Bestimmung, sie zu besitzen.«
»Warum?«
»Du wirst der neue Spielzeugmacher sein.«
Zack mußte das Wesen, das mit ihm sprach, nicht nach seinem Namen fragen. In seiner tiefsten Tiefe wußte er genau, um wen es sich handelte. Es war der Dunkle, der Herr des Bösen. Obgleich ihn Zack noch nie gesehen hatte, war er ihm immer nahe gewesen.
»Spielzeugmacher?« fragte er jetzt. »Aber ich hasse Spielsachen. Ich hasse Kinder.«
»Natürlich tust du das«, erwiderte die Fratze im Spiegel und grinste ihn an. »Darum ist es auch deine Bestimmung. Die Zeiten wandeln sich. Das Böse beginnt sich zu regen. In den kommenden Zeiten wird diese Fabrik und noch vieles andere in meine Hände fallen. Du wirst Spielzeug zum Verderben
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