Nacht der Zaubertiere
nicht an. Schlagt eure Augen nieder und vergebt mir. Aber um noch einmal auf diesen Hund zurückzukommen, er hat meine Waffe gesehen und natürlich sofort begriffen, wie gut ich mit ihr umzugehen weiß und daß es mit ihm aus sein würde, wenn es zu einem Zweikampf käme.«
»Wirklich interessant«, bemerkte Einstein, »daß Kater auch kein viel besseres Erinnerungsvermögen als Karnickel haben. Denn du, mein lieber Gestiefelter Kater, wärst nicht einmal dazugekommen, den Degen auch nur zu zücken. Und selbst wenn du ihm damit vor der Nase herumgefuchtelt hättest, so wäre er kaum beeindruckt gewesen. Nein, Karamel war die einzige, die Heldenmut gezeigt hat.«
»Ich kann mich aber genau daran erinnern, daß der Köter gewinselt hat, als ich ihn so schrecklich verhöhnt habe«, sagte Hupf.
»Was du gehört haben magst«, warf der Alte ein, »war unser Gewinsel über deine faulen Späße.«
Ein oder zwei Minuten lang versanken sie in Schweigen und lauschten nur dem Regen und dem Singen der Räder auf der nassen Fahrbahn. Dann begann einer nach dem anderen davon zu sprechen, von dem sie einander schon hundertmal erzählt hatten: von ihren Träumen. Einstein sagte, daß er eines Tages nach Afrika heimkehren und seinen angestammten Platz unter echten Elefanten einnehmen wolle. »Ich kann mich schon sehen, wie ich majestätisch durch die Ebene streife und meine Herde zu saftigen Weiden und süßem Wasser führe.«
»Aber, Einstein«, wandte Karamel mit sanfter Stimme ein, »du grast doch gar nicht, und Wasser trinkst du auch nicht. Du bist ein ausgestopfter Spielzeugelefant.«
»Jaja, das bin ich wohl, aber das heißt doch nicht, daß ich keine anderen Elefanten zu frischem Gras und gutem Wasser fuhren kann.«
Der Alte sagte: »Echte Elefanten würden dich plattgetrampelt haben, ehe sie dich überhaupt bemerkten. Du bist doch nur einen halben Meter groß.«
»Vielleicht bin ich nur einen halben Meter groß«, sagte Einstein, »aber ich kann mich gut behaupten!«
»Nach Afrika will ich nicht«, sagte Amos und seufzte verträumt, »aber es würde mir schon gefallen, wenn ich eines Tages in einem hübschen kleinen Häuschen am Rande des Waldes wohnte und Gedichte schriebe, mit einer Gänsefeder. Adam Riese hat all seine Verse mit einer Feder —«
»Klingen aber eher, als ob er einen Schmiedehammer genommen hätte«, sagte Hupf.
Amos beachtete ihn gar nicht. »Wenn ich ein Häuschen hätte und eine Gänsefeder, dann würde ich sicher auch ein guter Dichter.«
»Was ich werden könnte, wenn ich ’ne Glückssträhne erwischte«, unterbrach ihn Hupf, »das ist ein echter Komiker. Hach, alle großen Bühnen würden sich um mich reißen. Ich wär’ in allen Talkshows auf allen Kanälen. Wahrscheinlich hätte ich meine eigene Sendung. Und kaufte mir ’ne Riesenvilla direkt neben Mickymaus. Ein Star könnte ich sein.« Er lehnte sich an einen Ballen und faltete die Vorderpfoten hinter seinem Kopf. »Ja, ja, ich wär’ das Komische Karnickel, es müßte mir nur jemand zum Durchbruch verhelfen.«
»An Ruhm bin ich nicht interessiert«, sagte der Gestiefelte Kater, »was ich sein möchte, was ich wirklich gerne wäre... «
»Das ist natürlich ein Elefant«, sagte Einstein, »jeder will insgeheim ein Elefant sein.«
»Nicht die Spur. Eine Katze«, widersprach ihm der Gestiefelte Kater.
»Katze? Aber du bist doch eine Katze«, entgegnete Einstein.
»Eine wirkliche Katze«, sagte der Gestiefelte Kater. »Meine ganze Sehnsucht besteht darin, eine echte Katze zu sein, weil echte Katzen ein ungeheuer aufregendes Leben leben und jeden Tag große Abenteuer bestehen müssen. Katzen sind die einzigen echten Schwadroneure der Natur. Und wenn ich eine echte Katze wäre, würde ich Mäuse jagen.«
»Jagen?« fragte Einstein, ehrlich entsetzt. »Was für eine widerwärtige Idee! Eklige kleine Biester, Mäuse. Du solltest ihnen aus dem Wege gehen, nicht hinter ihnen herjagen.« Der Elefant schüttelte sich.
»Mäuse jagen«, wiederholte der Gestiefelte Kater mit leiser Stimme und so verzückt von der Vorstellung, daß er für den Augenblick ganz und gar vergaß, sich weiter Fell und Kleid zu putzen. Er saß versunken da, starrte in die Ferne und dachte ganz offensichtlich nur an Mäuse.
»Was ist denn am Mäusejagen so fabelhaft?« fragte Hupf.
»Das kannst du nicht verstehen.«
»Warum denn nicht?«
»Weil du keine Katze bist«, antwortete der Gestiefelte Kater. Und plötzlich bemerkte er wieder, in was für einem
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