Nacht des Flamingos
als es das Natürlichste von der Welt gewesen war, ein Leben dieser Art zu führen.
Er glitt an der Laderampe der Stahlfabrik vorüber. Dunkel und verlassen lag sie im Schein einer einzigen bleichen Lampe Die Möbelfabrik war das übernächste Gebäude. Er paddelte rasch und zielsicher. Wenig später sprang er an Land und zog das kleine Schlauchboot ans Ufer.
Die Backsteinmauer, die sich vor ihm auftürmte, war ungefähr drei Meter hoch. Sie war alt, und an vielen Stellen hatten sich Steine aus dem Gemäuer gelöst. Obwohl er den Benzinkanister mit sich schleppen mußte, bereitete es ihm keine Schwierigkeiten, die Mauer zu erklimmen. Als er oben angekommen war, blieb er einen Augenblick reglos sitzen und spähte aufmerksam in die Dunkelheit. Dann ließ er sich mit katzenhafter Geschmeidigkeit in den dahinterliegenden Hof hinunter. Das ganze Fabrikgelände war von einer teilweise abgebröckelten alten Backsteinmauer umschlossen. Die Haupttore waren aus Holz, über drei Meter hoch und mit schweren Eisenstangen gesichert.
Durch schmutzblinde Fenster glomm düster ein Licht. Vorsichtig tastete er sich an der Hauswand entlang zur Vorderfront des Gebäudes.
In einer Ecke des Hofs entdeckte er undeutlich einen wirren Haufen von Kartons und Kisten, der sich anscheinend im Lauf der Jahre hier angesammelt hatte. Nur deswegen hatte er das Benzin mitgebracht. Er schraubte den Verschluß vom Kanister und leerte ihn über dem Abfallhaufen aus, wobei er versuchte, das Benzin möglichst weit zu verteilen. Dann eilte er zu den großen Toren und entfernte die schweren Eisenriegel.
Er warf einen Blick auf seine Uhr. Es waren genau fünfzehn Minuten verstrichen, seit er sein Büro verlassen hatte. Jetzt kam es allein auf Geschwindigkeit an.
Das erste Hindernis stellte sich ihm in den Weg, als er das Haupttor zur Fabrik erreichte. Sie war verschlossen. Er zauderte nur einen Augenblick, dann schlug er den Alternativweg ein, den er für einen solchen Fall eingeplant hatte. Er stieg eine alte Feuerleiter zum ersten Stockwerk hinauf. Auch die obere Tür war abgesperrt, doch in dem Fenster daneben waren mehrere Scheiben zerbrochen. Es gelang ihm, ohne sonderliche Schwierigkeiten das Fenster zu öffnen.
Drinnen, in der Dunkelheit, blieb er wiederum stehen und lauschte. Irgendwo in der Ferne vernahm er Stimmengemurmel. Rasch eilte er einen kurzen Korridor entlang. Am Ende des Ganges stieß er auf eine Tür mit zersplitterter Füllung. Licht strömte durch die Ritzen. Vorsichtig drückte er die Klinke nieder und öffnete die Tür einen Spalt. Starker Whiskygeruch schlug ihm entgegen.
Er befand sich auf einer Stahlrampe. Die Halle darunter war angefüllt mit Kisten. Ein riesiger Lastwagen, der ganz offensichtlich nicht hierher gehörte, stand etwa zwei Meter vom Haupttor entfernt.
Die Stimmen kamen von links. Er schritt die Rampe entlang und kam an einem kleinen Büro mit Glaswänden vorüber, das dunkel war. Doch aus einem Raum ganz am Ende der Rampe drang Licht. Er spähte vorsichtig um die Ecke der gläsernen Trennwand und erblickte drei Männer, die Poker spielten.
Rasch zog er sich zurück und kehrte wieder um. Er eilte die Rampe entlang bis zur Treppe, die in die Halle hinunterführte. Ohne zu zögern stieg er hinunter. Der Lastwagen war mit Whiskykisten beladen, die für London bestimmt waren. Der Zündschlüssel steckte.
Das große Tor der Halle bildete das Haupthindernis. Es war durch ein schweres Vorhängeschloß gesichert. Er untersuchte es aufmerksam, drehte sich dann um und eilte wieder die Treppe hinauf.
In der Dunkelheit des kleinen Büros kauerte er sich auf den Boden und holte das Telefon zu sich herunter. Dann wählte er eine Nummer.
Die Antwort kam prompt.
»Kriminalpolizei – Sergeant Miller«, verlangte Craig mit verstellter Stimme.
Miller saß hinter seinem Schreibtisch und hörte sich geduldig
die Unschuldsbeteuerungen eines ihm wohlbekannten Einbrechers an, als das Telefon läutete.
»Schön, Arnold«, sagte er. »Sie können eine Verschnaufpause einlegen.« Er nickte Jack Brady zu, der an der Wand lehnte und gelegentlich gähnte. »Geben Sie ihm eine Zigarette, Jack.«
Dann nahm er den Hörer zur Hand.
»Sergeant Miller.«
Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang seltsam heiser und war ihm völlig unbekannt.
»Gibsons Möbelfabrik in der York Road – ein hochinteressanter Ort. Die machen hier sogar ihren eigenen Whisky. Ich würde
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