Nacht des Flamingos
gekennzeichnet, die ich Ihnen mitgeben werde. Heben Sie den Gully am hinteren Ende der Gasse hoch, und Sie gelangen in einen Tunnel, der ungefähr einen Meter im Durchmesser mißt. Darin sind die elektrischen Kabel angebracht. Sie können die Chatsworth Stahlwerke gar nicht verfehlen. Man war nämlich zuvorkommend genug, es an die Wand zu schreiben. Nur eine Backsteinmauer trennt Sie dann noch vom Keller des Bürogebäudes. Wenn Sie länger als zehn Minuten brauchen, um da durchzukommen, fress' ich einen Besen.«
»Und wie steht's mit der Alarmanlage?«
»Darauf komme ich jetzt. Wenn Sie im Keller sind, werden Sie an der gegenüberliegenden Wand einen riesigen Sicherungskasten entdecken. Die Sicherungen sind alle gekennzeichnet. Ich habe diejenigen, die Sie herausschrauben müssen, in Ihren Anweisungen markiert. Aber auf keinen Fall dürfen Sie vergessen, das grüne Kabel durchzuschneiden, das mit einem Strang anderer Kabel an der Wand entlangläuft. Durch dieses Kabel wird nämlich ein Sicherungssystem versorgt, das sich automatisch einschaltet, wenn die anderen Alarmvorrichtungen versagen sollten.«
»Befindet sich der Safe auch im Keller?«
»Ja, am Ende des Korridors.«
»Haben die denn keine Nachtwächter?«
»Nur einen.« Morgan hob ungläubig die Brauen, und Vernon
lächelte. »Ich sagte Ihnen ja, daß man so ziemlich jede Sicherheitsvorrichtung, die bis heute erfunden worden ist, eingebaut hat. Überall im Gebäude sind Fernsehkameras angebracht, die von einem Mann in einem Kontrollraum gleich beim Empfangsbüro betätigt werden. In dem Augenblick, in dem Sie den Keller verlassen, geben Sie eine Exklusivvorstellung. Er braucht nur den Telefonhörer abzuheben, und schon wimmelt der ganze Laden von Polizisten.«
»Okay«, meinte Morgan ungeduldig. »Ich platze vor Spannung. Wie werden wir mit den Kameras fertig?«
»Der Kontrollraum ist natürlich immer besetzt. Man arbeitet in drei Schichten. Unser Mann tritt seinen Dienst um acht Uhr an. Auf dem Weg zur Arbeit nimmt er immer in einem kleinen Lokal in der Nähe der Fabrik ein belegtes Brot und eine Thermosflasche Kaffee mit. Am Mittwochabend wird ihn der Kaffee allerdings nicht aufmuntern.«
»Sie wollen ihm etwas in den Kaffee geben?«
Vernon grinste selbstgefällig.
»Ganz einfach, wenn man weiß, wie.«
Morgans Miene verriet Zweifel.
»Und wenn er um die Zeit, zu der wir ankommen, seinen Kaffee noch nicht getrunken hat? Dann sitzen wir schön da.«
»Die Möglichkeit habe ich auch in Betracht gezogen. Sie werden erst um Mitternacht erscheinen. Er hat also vier Stunden Zeit. Wenn er bis dahin noch keinen Kaffeedurst bekommen hat, dann kriegt er ihn niemals mehr.«
Es war lange still. Morgan starrte mit gerunzelten Brauen nachdenklich in die Ferne. Nach einiger Zeit seufzte er und schüttelte den Kopf.
»Eins muß man Ihnen lassen, Max. Ihr Plan ist gut – verdammt gut.«
»Schön, dann sehen wir uns also morgen abend«, versetzte Vernon ruhig und reichte Morgan die Aktentasche. »Alles, was Sie brauchen, ist hier drin. Ihr Zug fährt um fünf Uhr drei ab. Sie haben noch zwanzig Minuten Zeit.«
Er blickte Morgan nach, bis dieser in einer Seitenstraße verschwunden war. Dann nickte er befriedigt. So weit, so gut. Die Sonne brach durch die Wolken und färbte den feinen Sprühregen des Springbrunnens rötlich. Vernon lächelte. Er steckte sich eine Zigarette an, stand auf und schlenderte davon.
Duncan Craig beobachtete ihn durch das Rückfenster des alten Lieferwagens, der auf der anderen Straßenseite stand. Auch er lächelte, aber aus ganz anderem Grund. Er drehte sich um und versetzte dem Stahlrohr des Richtungsmikrophons, das auf seinem Dreifuß stand, einen liebevollen Klaps, Dann begann er, das Gerät auseinanderzunehmen.
12
Es goß in Strömen, als der Lieferwagen in die Brag Alley einbog und mit quietschenden Bremsen zum Stehen kam. Das Licht der Scheinwerfer strahlte die verblichene Inschrift auf dem großen Holztor an, das den Abschluß der Seitenstraße bildete – ›Gower & Co. – Steinmetze‹.
»Wir sind da«, erklärte Morgan. »Okay – jetzt sind Sie an der Reihe, Jack.«
Fallon, ein stämmig gebauter Ire, kräftig und muskulös, sprang aus dem Wagen. Er hatte einen Stahlschneider in der Hand, der knirschend die Kette des Vorhängeschlosses an dem schweren Holztor durchschnitt. Die beiden Flügel des Tores schwangen auf, und Harris, der Chauffeur, steuerte den Lieferwagen in
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