Nacht des Flamingos
allmählich glaube ich fast, daß ich Ihnen Unrecht getan habe. Aber der Gedanke allein schien mir so unglaublich.«
»Duncan Craig ist ein ausgesprochen ungewöhnlicher Mensch«, versetzte Miller. »Das versuchte ich Ihnen von Anfang an klarzumachen.«
»Haben Sie ihn inzwischen wieder gesprochen?«
Miller schüttelte den Kopf.
»Ich habe heute morgen versucht, ihn zu erreichen, aber er war nicht zu sprechen. Man sagte mir, er wäre geschäftlich nach Manchester gereist. Er wird natürlich offiziell Anzeige erstatten müssen.«
»Geben Sie mir Bescheid, wenn er kommt. Ich möchte mich gern mal persönlich mit ihm unterhalten.«
»Ich fürchte, das wird reine Zeitverschwendung sein, Sir«, bemerkte Miller. »Er wird steif und fest behaupten, daß die Sache ein einfacher Überfall gewesen sei, wie er leider fast alle Tage vorkommt. Und das Gegenteil können wir nicht beweisen.«
»Und Hurst und Blakely kommen mit einer Strafe von sechs Monaten davon.«
»Genau.«
Grant runzelte die Stirn.
»Besteht denn gar keine Möglichkeit, die beiden zum Sprechen zu bewegen? Es muß doch aus ihnen herauszubringen sein, wer sie bezahlt hat.«
»Wie ich Max Vernon kenne, werden die beiden nicht einmal seinen Namen wissen«, erwiderte Miller.
Grant seufzte und leerte sein Glas.
»Nun, das gehört eben zu unserer Arbeit. Kommen Sie, trinken wir noch einen.«
»Diesmal zahle ich«, sagte Miller.
»Kommt nicht in Frage«, unterbrach sie eine vergnügte
Stimme. »Heute habe ich die Spendierhosen an. Das gleiche noch einmal, Maggie. Und seien Sie nicht kleinlich.«
Chuck Lazer grinste breit, als er auf den Hocker neben Brady kletterte.
»Welch eine Wandlung«, konstatierte Miller. »Als ich Sie das letztemal sah, waren Sie am Boden zerstört.«
»Ja, weil ich dachte, mir bricht das Dach über dem Kopf zusammen. Aber das ist jetzt vorbei, mein Freund.«
»Wieso denn das?«
»Na, der gute Max Vernon ist doch in die Flucht geschlagen, oder nicht?« Chuck Lazer zuckte die Achseln. »Jeder weiß, daß sein Wettgeschäft kurz vor dem Ruin steht, seit er den ›Flamingo Club‹ schließen mußte. Und da mußte gestern abend auch noch dieses kleine Mißgeschick geschehen.«
»Was für ein kleines Mißgeschick?« erkundigte sich Brady.
»Ach, tun Sie doch nicht so«, versetzte Lazer. »Sie wissen genau, wovon ich rede. Die Fabrik an der York Road. Die Schnapsdestille, die er da betrieb.« Er lachte leise. »Da hat er nicht schlecht verdient.«
»Was? Sie wollen damit sagen, daß die Fabrik Max Vernon gehörte?«
»Klar, das weiß doch jeder.« Lazer machte ein überraschtes Gesicht. »Wußten Sie das nicht?«
Miller warf Grant einen Blick zu. »Na bitte!«
»Na schön«, meinte Grant seufzend. »Kann ja sein, daß ich mich getäuscht habe. Aber beweisen Sie Ihre Theorie doch erst mal. Beweisen müssen Sie's.«
Der Park Place war eine grüne Oase am Rand des Stadtkerns. Graue Reihenhäuser, die um die Jahrhundertwende erbaut worden waren, standen in kleinen Vorgärten. Von der Stadtverwaltung waren sie schon zum Abbruch verurteilt, um einer neuen Ringstraße Platz zu machen.
Zwischen zwölf und zwei Uhr mittags war der Park meist von lufthungrigen Büroangestellten bevölkert, die dort auf den Bänken ihr Mittagbrot verzehrten. Doch um halb vier Uhr, als Max Vernon ankam, lag der kleine Platz still und verlassen. Nur auf einer Bank neben dem Brunnen saß ein kleiner, grauhaariger Mann in einem Kamelhaarmantel.
Er war in eine Zeitung vertieft und blickte nicht einmal auf, als Vernon sich neben ihm niederließ.
»Ich hoffe, die Sache lohnt sich.«
»Sie kennen mich doch, Joe.«
»Ja? Und das Ding mit den Cable-Juwelen? Da bin ich sauber eingegangen – fünf Jahre, und Sie haben sich inzwischen in irgendeinem hochgestochenen Klub ins Fäustchen gelacht.«
»Man kann nicht immer Trumpfkarten in der Hand halten.«
»Sie machen sich nie die Hände schmutzig was, Vernon? Das überlassen Sie anderen.«
»Zweihunderttausend bis zweihundertzehntausend Pfund, Joe. Machen Sie mit?«
Morgan riß den Mund auf.
»Zweihunderttausend? Sie machen wohl Witze?«
»Ich mache nie Witze. Das müßten Sie inzwischen wirklich gemerkt haben.«
»Und was schaut für mich raus?«
»Die Hälfte – vorausgesetzt, Sie stellen Ihre eigenen Leute und zahlen Sie aus Ihrem Anteil.«
»Und was für eine Verpflichtung übernehmen Sie?«
»Ich habe
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