Nacht des Ketzers
willenlos mit sich geschehen, nur als François sich anschickte loszugehen, sagte er: „Nicht ohne meine Schriften.“ Keinesfalls wollte Giordano sein bereits begonnenes Buch, eine Komödie in italienischer Sprache über einen Kerzenzieher, hier zurücklassen. „Nun gut.“ François zögerte etwas, da er um die Gefährlichkeit des Unterfangens wusste, in Giordanos Unterkunft zurückzukehren. Er schnallte sich seinen Degen um und drückte auch Guiseppe eine Waffe in die Hand, die dieser nur widerwillig annahm, fühlte er sich diesbezüglich doch immer noch als Mönch, der der Gewalt abgeschworen hatte. Madame Bressault sah die drei in der Dunkelheit verschwinden. Was für eine Ähnlichkeit. Sie dachte schweren Herzens an das Schicksal der beiden, das ihr ihre Karten verraten hatten.
Mehrmals mussten sich die drei in eine Hauseinfahrt oder Mauernische drücken, um nicht von marodierenden Gruppen der Hugenotten oder Katholiken entdeckt zu werden. Vor dem Haus, in dem Giordano Unterkunft gefunden hatte, stand eine größere Gruppe wild gestikulierender junger Männer. In letzter Sekunde konnte François den zu allem bereiten Professor zurückhalten, der einfach auf die Gruppe losmarschieren und sie vom Eingang fortjagen wollte.
„Seid Ihr noch bei Sinnen, Monsieur le Professeur? Das sind Hugenotten, die warten nur darauf, dass Ihr kommt, um Euch zu töten. Lasst mich das machen.“ François flüsterte Guiseppe ein paar Worte zu, löste sich dann aus der Dunkelheit und ging auf das Haus zu.
„Wen sucht ihr, Brüder?“ François wusste, wie er sich als Hugenotte ausgeben konnte, ebenso wie als Katholik, zumal sich nur ein Selbstmörder einer bewaffneten Meute mitten in der Nacht genähert hätte, wenn er nicht einer der ihren war.
„Professor Giordano Bruno, diesen verräterischen Hund. Dreien unserer Brüder ist er entkommen. Aber er ist nicht im Haus“, riefen sie durcheinander.
„Was seid ihr doch für Hohlköpfe“, schimpfte François. „Meint ihr, der Professor wird frisch und fröhlich anspaziert kommen, wenn er sieht, dass ihr vor dem Haus auf ihn wartet?“
Die Burschen nickten zustimmend. „Schnell, verteilt euch rund um das Haus, so dass er euch nicht sehen kann, wenn er nach Hause kommt. Ich selbst werde mich oben in seiner Kammer versteckt halten.“ Dabei schwang François drohend seinen Degen. Rasch taten die jungen Männer, wie ihnen geheißen. François eilte ins Haus, die Herbergsleute hielten sich aus Angst auf dem Speicher versteckt. Ungehindert gelangte er in Giordanos Zimmer und stopfte alles, was er an Schriften fand, in einen kleinen Ranzen. Es gab einen Hinterausgang, den die Hugenottentölpel nicht gefunden hatten. Durch den konnte er ungesehen zum Versteck der beiden Wartenden gelangen. Er flüsterte ihnen hastig Anweisungen zu, umarmte beide kurz und überließ sie dann ihrem Schicksal. Giordano wollte noch fragen, warum er das alles für sie tat, aber dafür blieb keine Zeit mehr. François selbst musste noch eine Weile bei den Hugenotten bleiben, um nicht als Verräter enttarnt zu werden.
Noch mehrere Male begegneten Giordano und Guiseppe kleineren Gruppen aus beiden Lagern, konnten aber ungehindert die Stadt verlassen. Erst als sie Toulouse lange hinter sich gelassen hatten, rasteten sie.
Giordano fand als Erster Worte. „Du bist ja richtig erwachsen geworden.“ Erstaunt und mit weit aufgerissenen Augen lauschte er Guiseppe, der ihm von Anfang bis Ende erzählte, was ihm widerfahren war, als er dem Freund über Monate hinweg unerkannt gefolgt war, immer wieder unterbrochen von erstaunten Ausrufen Giordanos, dem so seine eigene Odyssee bewusst wurde. Froh darüber, endlich einen Gefährten gefunden zu haben, mahnte er nun zum Weitermarschieren, damit sie noch vor Anbruch des Tages das ihnen von Madame Bressault benannte Quartier erreichten. Es war eine stockdunkle Nacht, und ab und zu stolperte einer der beiden über einen größeren Stein oder Ast, den der Sturm auf den Weg gefegt hatte.
Als sie das besagte Steinhaus erreicht hatten, öffnete nach kurzem Klopfen eine hagere Gestalt, die sich, nachdem die beiden ein ihnen von Madame Bressault mitgeteiltes Losungswort sagten, als ein Vetter von ihr vorstellte. Der Morgen graute bereits. Über offenem Feuer köchelte ein Gemüseeintopf vor sich hin, den die beiden kurz darauf mit großer Freude gierig verschlangen. Der Alte nickte beifällig und freute sich über den Appetit der jungen Leute. Er stellte nicht viele
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