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Nacht des Ketzers

Nacht des Ketzers

Titel: Nacht des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Weinek
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die Vorlesung des kommenden Tages vorzubereiten, und schlief bald über seiner Lektüre ein.
     
    ***
     
    Ein seltsames Fieber erfasste die Stadt. Allerorts kam es zu kleineren Übergriffen zwischen Katholiken und Hugenotten. Es gab bereits wieder Tote zu beklagen. In manchen Stadtteilen brannten Häuser, wurden Menschen ihrer Existenz beraubt, alles im Namen des Herrn Jesus Christus. Der Glaubenskrieg war zurückgekehrt. Auch Guiseppe hatte Fieber, das allerdings auf eine Erkältung, die er schon mehrere Tage mit sich herumtrug, zurückzuführen war. Er war andauernd müde, ab und zu schüttelten ihn kräftige Hustenanfälle. Seine Zimmerwirtin, Madame Bressault, kümmerte sich rührend um den Kranken. Sie machte ihm Fußwickel und träufelte ihm heiße Milch mit Honig in den Mund, damit er einigermaßen bei Kräften blieb. In den umliegenden Bergen hatte es zum ersten Mal geschneit, zu früh für die Jahreszeit, doch der Schnee blieb noch nicht liegen. In den wenigen wachen Augenblicken machte Guiseppe sich Sorgen um Giordano. Als es ihm nach einigen Tagen besser ging, beschloss er, Madame Bressault einzuweihen und sie zu bitten, nachzuforschen, wie es dem Professor ergangen war. Die Zimmerwirtin verfügte über ein umfangreiches Netzwerk und erhielt rasch Informationen, sowohl aus dem Lager der Katholiken als auch aus dem der Hugenotten.
    „Mein Junge, willst du erst die gute oder die schlechte Nachricht hören?“ Madame Bressault machte ein ernstes Gesicht. Ihr mächtiger Busen wogte bei jedem Atemzug auf und ab. Guiseppe war zu schwach, um zu antworten, er deutete nur kurz mit der Hand, was die Zimmerwirtin als Zeichen verstand, einfach fortzufahren.
    „Dem Professor geht es so weit gut. Seine Vorlesung ist gut besucht. Zu gut, wie die Hugenotten finden. Auch hat er wieder verstärkt begonnen, den Konflikt zwischen Philosophie und Theologie in seinen Vortrag einfließen zu lassen, was man ihm im Kollegium wohl schon übelnimmt.“ Guiseppe schüttelte schwach den Kopf und war zugleich verwundert, dass die Zimmerwirtin offensichtlich in diesen Themen bewandert war. Giordano, dieser Narr, er kann es einfach nicht lassen, fuhr es ihm durch den Kopf.
    Madame Bressault sah man an, dass sie stolz auf ihre Informationen war. Ernst fuhr sie fort: „Die Hugenotten haben ihn auf die Liste der für sie gefährlichen Personen gesetzt. Wenn ich meinen Informanten glauben darf, schwebt dein Freund in höchster Lebensgefahr.“
    „Woher …“
    „Woher ich so gut Bescheid weiß?“ Madame Bressault lächelte. „Mein Mann, musst du wissen, war ebenfalls Professor an der Universität. Nach der Bartholomäusnacht …“, sie zögerte kurz, da sie nicht wusste, ob Guiseppe ihr noch folgen konnte. „Also, nachdem in Paris und Umgebung Katholiken auf Befehl der Hexe Medici Tausende Hugenotten getötet hatten, ging auch hier das Gemetzel los. Das Haus meiner Schwiegereltern wurde angezündet, als diese friedlich schliefen. Wer es war, kam nie heraus. Jedenfalls hat mein Mann dann begonnen…“, wieder hielt sie kurz inne, schluckte ein paarmal. Guiseppe sah Tränen in ihren Augen. „…begonnen, gegen diesen Wahnsinn anzukämpfen. Hat eine kleine Gruppe Gleichgesinnter um sich geschart, und eines Tages auf dem Nachhauseweg von der Universität haben sie ihn abgestochen wie ein Stück Vieh.“
    Guiseppe starrte sie entsetzt an. Er versuchte aufzustehen, wollte Giordano warnen, da er ahnte, welches Schicksal ihm drohte, doch er war zu schwach.
    „Nun unterstützen wir uns gegenseitig gegen diese verblendeten Fanatiker“, fuhr Madame Bressault wieder gefasster fort. „Aber sei beruhigt, die Stunde für deinen Professor ist noch nicht gekommen.“ Die Witwe hatte sich die letzten Tränen aus den Augen gewischt und lächelte wieder.
    „Die Karten haben es mir gesagt“, fuhr sie fort, als Guiseppe sie ungläubig ansah. Nicht sonderlich beruhigt, fiel er in einen tiefen, ohnmachtsähnlichen Schlaf.

Kapitel 40
     
    Giordano hatte die Vorlesung an diesem Tag besonders großes Vergnügen bereitet, hatte er doch den Studenten mit einigen Tricks die Unvernunft der aristotelischen Philosophie nahegebracht. Dieses festgefahrene, vorherbestimmte Gefüge. Oben und Unten, vorherbestimmte Größen. Von der göttlichen Schöpfung festgelegte Hierarchien. Was für ein Schwachsinn. Er hatte dagegen die Ideen Platons zum Leben erweckt und das Lebendige in die Geisterwelt verbannt. Der Hörsaal hatte sich gebogen vor Lachen. Immer wilder

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