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Nacht des Ketzers

Nacht des Ketzers

Titel: Nacht des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Weinek
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seiner Ehre gekränkt, hatte Philipp Rache geschworen. Er hatte eine Tochter Katharina von Medicis und die katholische Kirche ermuntert, wieder mit aller Härte gegen Abtrünnige und Ketzer vorzugehen.
    „Ihr solltet …“
    „Das kann ich nicht“, unterbrach Elisabeth ihren Vertrauten schroff. Nur zu gut wusste sie, dass er einmal mehr die Hinrichtung Marias vorschlagen würde.
    „Ich kann es nicht, und ich will es nicht. Das gegenseitige Morden muss einmal ein Ende finden. Wie soll England je zur Ruhe kommen, wenn wir nicht als Vorbild dienen? Der ganze Kontinent soll sehen, dass wir tolerant auch anderen Religionen gegenüber sind.“
    „Sehr wohl, Exzellenz“, seufzte Walsingham. Wie oft hatte er diese Diskussion mit der Monarchin bereits geführt. Auch noch ein anderes Thema hatte er schon mehrfach angesprochen. Gewiss, sie war stark. Sie war gebildet und sie war schön. Ihr Volk liebte sie. Aber noch lieber hätte es einen starken Mann an ihrer Seite gesehen. Raleigh wäre solch ein Mann gewesen. Vom Volk als Held verehrt, und auch die Königin selbst schien eine gewisse Schwäche für ihn zu haben. Doch einer schien ihr außerordentlich gut zu gefallen, Francis Bacon, der Sohn ihres Lord Keepers of the Great Seal, Sir Nicholas Bacon. Sie bewunderte den über zwanzig Jahre jüngeren Gelehrten, der sich gleich nach seinem Studium der Rechtswissenschaften den Naturwissenschaften und insbesondere der Philosophie gewidmet hatte. Elisabeth hatte den jungen Mann oft zu sich in den St. James Palace gebeten und ihn seine Theorien von der philosophischen Erkenntnis, die man nur über das exakte Wissen über die Natur erlangen könne, vortragen lassen. Walsingham hatte jedes Mal ein Glänzen in ihren Augen bemerkt, wenn der großgewachsene, hagere Francis mit ausholenden Bewegungen vor der Königin auf und ab schritt und seine neuesten Theorien zum Besten gab. Er hatte von wissenschaftlichen Experimenten berichtet, denn das Ziel der Wissenschaft sei es, so wurde er nicht müde zu betonen, die Natur zu beherrschen, und dazu musste man sie richtig interpretieren können. Walsingham war bei diesen Begegnungen auch nicht entgangen, dass der junge Bacon lieber mit den Kammerdienern scherzte als mit den Zofen, die sich allesamt um seine Gunst bemühten.

Kapitel 57
     
    Heinrich verzog sein Gesicht vor Schmerz, als er sich zum wiederholten Male mit der Ledergeißel über den Rücken schlug. Die Haut war bereits aufgeplatzt, vor allem an den Stellen, die er sich erst zuletzt nach einem besonders ausschweifenden Bacchanal blutig geschlagen hatte. Als er schwer verkatert, die Hose bis zu den Knien hinuntergezogen und mit entblößtem Glied erwacht war, hatte er als Erstes die Kurtisanen durch Hiebe mit seinem Ledergürtel vertrieben. Er wusste nur zu gut, dass seine Mutter das Treiben der vergangenen Nacht vor Wut bebend in ihren Gemächern verfolgt hatte. Tränen der Scham rannen über seine Wangen, verwischten die dick aufgetragene Schminke zu einem grotesken Farbgebilde auf seinem Gesicht. Seine Mutter würde ihn wieder für Wochen nicht zu sich vorlassen. Ob sie ihn überhaupt noch liebte? Noch ein Schlag. Das Blut spritzte auf das zerknüllte Laken und färbte die dort befindlichen Champagnerflecken bräunlich.
    „François!“
    „Eure Majestät wünschen?“
    Heinrichs Kammerdiener hatte mit seinen Kollegen bereits zwei Stunden zitternd vor der Tür des Schlafgemachs des Königs gewartet. Normalerweise war er es, der als Erstes die Schläge des oftmals noch betrunkenen Monarchen abbekam, wenn diesen die Reue über sein schändliches Tun überkam. François kannte das nun folgende Zeremoniell. Erst musste er Heinrich mit kaltem Wasser den blutigen Rücken reinigen. Wenn er es besonders toll getrieben hatte und noch von Champagner und Cognac benebelt war, befahl er ihm, ihn mit Salz zu bestreuen. Dabei schrie er aus Leibeskräften. Die anderen Kammerdiener zuckten zusammen, und die Kurtisanen und Adeligen suchten, soweit sie dazu in der Lage waren, rasch das Weite. Sie wussten, dass sie dem König nach so einer Nacht nicht unter die Augen kommen durften. So manch einer hatte seinen Rausch in einer Zelle des Schlosskerkers ausschlafen müssen. Wenn der Rücken einigermaßen gereinigt war, zog Heinrich sich eine Mönchskutte aus grobem Leinen über, die bei jeder Bewegung über die offenen Wunden scheuerte. Zuvor musste François ihm aber helfen, ein Dornenband an seinem Oberschenkel zu befestigen. Heinrich stöhnte

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