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Nacht des Ketzers

Nacht des Ketzers

Titel: Nacht des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Weinek
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und Logis arbeiten konnte, da der Senat von Frankfurt, der von der Ankunft Giordanos erfahren hatte, sich dagegen ausgesprochen hatte. Wieder eine Enttäuschung, zumal die einzige Möglichkeit, in der Stadt zu bleiben, darin bestand, im Kloster des Karmeliterordens zu wohnen. Die Machtbefugnisse des Senats reichten nicht bis hinter die dicken Klostermauern.
    „Euch eilt der Ruf eines Unruhestifters voraus, Herr Bruno“, versuchte Johann Wechel, die Entscheidung der Frankfurter Stadtverwaltung zu erklären.
    „Aber man kennt mich doch gar nicht.“
    „Oh doch, Eure Vorlesungen in Paris haben sich bis hierher durchgesprochen. Wir vermuten, das Kollegium der Frankfurter Universität ist beim Senat vorstellig geworden und hat protestiert.“ Wechel lächelte. „Das gefällt uns. Schon allein deshalb.“ Er rieb die Spitzen von Daumen und Zeigefinger aneinander. Giordano verstand nicht, was er meinte. Es war ihm auch egal. Eigentlich hatte er sich geschworen, nie mehr ein Kloster zu betreten, aber unter diesen Umständen und vor allem in Hinblick darauf, dass er in Ruhe arbeiten und bei Wechel & Fischer würde veröffentlichen können, willigte er ein. Auch wusste er, dass er im Kloster ungestört sein würde. Nach den langen Reisen war es vielleicht ganz gut, zur Ruhe zu kommen und sich nur noch dem Schreiben zu widmen. So, wie er es sich vorgenommen hatte, wollte er zuallererst einen Band mit Gedichten veröffentlichen. Und dann eine Geschichte in der Art des Kerzenziehers schreiben. Er musste unwillkürlich an de Montaigne denken und daran, dass er Seite an Seite mit den frommen Brüdern des Karmeliterordens eine frivole Geschichte schreiben würde. Aber wenn sie so fromm waren, wie die Benediktiner in Neapel, dann würden sie ihm reichlich Stoff für so ein Buch liefern. Mehr und mehr gefiel ihm die Idee.
    Die Tage vergingen mit frühem Aufstehen, Beiwohnen der Exerzitien und Beginn der Schreibarbeiten. Auch ein weiteres Buch über die Lullussche Gedächtniskunst wollte er veröffentlichen. Erst nach einigen Wochen merkte er, dass es nicht auffiel, wenn er den Morgenexerzitien fernblieb, und so gewöhnte er sich wieder daran, länger zu schlafen und dafür abends bei Kerzenschein länger zu arbeiten. Außerdem entdeckte er bald, dass die Mönche in ihren Gewölben einen köstlichen Wein aus Äpfeln herstellten, ein Getränk, das vor allem nach einem der üppigen Gastmahle im Hause seiner Verleger für rasche Entleerung des Darmes und damit für sein Wohlbehagen sorgte. Giordano richtete sich also im Kloster ein und kam mit der Arbeit zügig voran. Aus einem Gedichtband wurden zwei, und auch der Band über die Gedächtniskunst forderte noch eine Nachfolge, zumal die Buchmesse vor der Tür stand und die Verleger sich von ihrem in Fachkreisen berühmten Schützling reichlich Umsatz erhofften.
     
    ***
     
    Es klopfte an der Zellentür.
    „Signore Bruno, welch eine Ehre. Darf ich mich vorstellen: Giambattista Ciotto, Buchhändler aus Venedig.“
    Giordano, zuerst ärgerlich ob der Störung, sah von seinem Pult auf. Seine Gesichtszüge erhellten sich.
    „Ein Landsmann. Was verschafft mir die Ehre?“
    „Die Buchmesse, Verehrtester. Ich hörte, dass Ihr in der Stadt seid, und so habe ich mich auf die Suche nach Euch gemacht. Eure Verleger waren so freundlich, mir Euren Aufenthaltsort zu verraten.“
    „Aus Venedig, sagt Ihr? Woher kennt Ihr meinen Namen?“
    „Aber ich bitte Euch, Signore Bruno. Halb Italien spricht über Euch.“
    Giordano wurde stutzig, doch nur für einen kurzen Augenblick, denn der Buchhändler fuhr fort, ihm zu schmeicheln.
    „Eure Vorträge über die Gedächtniskunst haben in Fachkreisen großes Aufsehen erregt, und unter uns, Eure Bücher sind zwar verboten, doch wir Buchhändler sind von unseren treuen Kunden angehalten, was immer wir von Euch zu kaufen bekommen, heimlich nach Italien mitzubringen.“
    Giordano war erfreut und bestürzt zugleich. Verboten? Seine Bücher? Für so wichtig hielt man sein Geschreibe also, dass man es verbieten musste.
    „Ihr verfügt über eine große Anhängerschar, Signore Bruno. Allerdings nur heimlich, versteht sich. Wer will es sich schon mit der Obrigkeit verscherzen?“
    Giordano wusste nicht, wie er mit der Nachricht umgehen sollte. Nachdem Signore Ciotto gegangen war, versuchte er, seine Gedanken zu ordnen. Der Buchhändler würde für die gesamte Messe in der Stadt bleiben, und wenn es sich lohnte, auf eines seiner neuesten Werke zu warten, sogar

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