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Nacht des Ketzers

Nacht des Ketzers

Titel: Nacht des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Weinek
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    Elisabeth war noch schlaftrunken, als ihre Kammerzofe ihr beim Ankleiden half. Sie hatte bis spät in die Nacht den Erzählungen Raleighs gelauscht und sich mit ihm über die letzten politischen Entwicklungen ausgetauscht. Gemeinsam mit Drake sollte Raleigh die britische Flotte aufrüsten, um auf den offensichtlich geplanten Angriff des spanischen Königs vorbereitet zu sein. Walsingham, der ebenfalls anwesend gewesen war, hatte von den jüngsten geplanten Anschlägen gegen die Königin berichtet, hinter denen er ebenfalls das spanische Königshaus vermutete. Marias Schicksal sei Spanien ein Dorn im Auge, hatte er gesagt. Solange sie eingekerkert war, würde das katholische Europa keine Ruhe geben. Aber Elisabeth wusste, dass eine Freilassung ihrer Halbschwester einen Aufstand im ganzen Königreich nach sich gezogen hätte, und den konnte und wollte sie nicht riskieren. Dann bliebe für Maria Stuart nur eine Lösung, hatte Raleigh in die Runde geworfen. Sie hatte geschwiegen, da auch sie wusste, dass ihr nicht viele Möglichkeiten blieben. Sie beide waren Königstöchter, sie beide wussten, dass dies eine Bürde war und ihr Leben nichts, das Wohl der Nation alles zählte.
    Walsingham hatte auch zu berichten gewusst, dass der französische Gesandte in London eingetroffen war und einen Philosophen, der wohl dem katholischen Lager zuzuordnen sei, in seiner Begleitung habe. Der Philosoph, ein Italiener, sei von Heinrich III. persönlich beauftragt worden, nach London zu reisen. Vermutlich würde er versuchen, mit Maria Stuart Kontakt aufzunehmen. Seine Spitzel würden ihn jedenfalls nicht mehr aus den Augen lassen.
    Ihre Zofe kämmte das helle Haar und steckte es zu einem Kranz zusammen. Dann schminkte sie die Königin. Ihr blasser Teint und ihre zierliche Gestalt ließen sie zerbrechlich aussehen, eine Täuschung, auf die schon viele ihrer Widersacher hereingefallen waren. Elisabeths Hals kratzte. Ab und zu musste sie husten. Raleigh hatte ihr aus der Neuen Welt getrocknete Pflanzen mitgebracht, die er in ein Holzrohr stopfte und anzündete. Der Reihe nach hatten alle an dem Rohr gezogen und furchtbar gehustet. Raleigh hatte gelacht und ihnen gezeigt, wie es die Wilden, von denen er die Pflanzen erhalten hatte, ihm vorgemacht hatten. Nach und nach hatte Elisabeth Gefallen daran gefunden. Erst war ihr schwindlig geworden, dann hatte sich ein beruhigendes Gefühl eingestellt.
    „Mylady, der französische Gesandte Sir Michel de Castelnau!“
    „Monsieur, welche Freude, Euch wiederzusehen.“
    Elisabeth ging ihm mit ausgebreiteten Armen entgegen. De Castelnau verbeugte sich und deutet einen Handkuss an. Die Königin mochte den Gesandten und seine fröhliche Lebensart. Giordano hatte es dem Begleiter gleichgetan und sich ebenfalls tief verbeugt.
    „Nun, wen habt Ihr denn da mitgebracht?“
    Elisabeth machte einen Schritt zurück und betrachtete die großgewachsene, hagere Gestalt, die sich nun ebenfalls wieder aufgerichtet hatte. Was sie sah, gefiel ihr gut. Der südländische Teint, die langen Haare, der gestutzte Bart und die hellen, bläulich schimmernden, wachen Augen, die einen klugen Geist verrieten ... sie war etwas irritiert. Ihr Herz klopfte, und sie spürte eine leichte Röte aufsteigen, die freilich durch die dicke Schminke nicht zu erkennen war. Schon länger hatte kein Mann sie aus ihrer stoischen Ruhe gebracht. Aber sie fasste sich rasch wieder und ließ sich nichts anmerken. Im Gegenteil. Kühl streckte sie dem Fremden die Hand zum Kuss hin, ohne ihn dabei eines Blickes zu würdigen, dann drehte sie sich abrupt um und ging in Richtung ihres Thrones.
    „Professor Giordano Bruno aus Nola, Majestät. Philosoph, Theologe ...“ Giordano zuckte kurz. „Astronom und Gedächtniskünstler.“ De Castelnau deutete nach der Vorstellung noch einmal eine kurze Verbeugung an.
    „So, so, das alles auf einmal. Reichlich viel für eine Person, findet Ihr nicht auch, Monsieur Bruno?“
    Giordano war die leichte Verlegenheit der Monarchin nicht entgangen. Doch nun behandelte sie ihn herablassend.
    „Es greift das eine ins andere und gibt so ein Ganzes, Majestät.“
    Er hatte längst keine Scheu mehr vor gekrönten Häuptern, doch die Aura, die Elisabeth umgab, faszinierte ihn.
    „Nun, dann wird er sich ja vortrefflich mit unseren Wissenschaftlern verstehen. Wir werden ihm ein Empfehlungsschreiben für die Universität Oxford ausstellen lassen. Aber Ihr müsst wissen, das Kollegium dort ist sehr

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