Nacht des Verfuehrers - Roman
Sie war gefährlich nah dran, die Fassung zu verlieren, und ein Streit war der sicherste Weg, sie beisammenzuhalten.
Wie erwartet runzelte sie die Stirn. »Ich hatte nicht den Wunsch, seine Hure oder sein Spielzeug zu werden – oder was immer er von mir wollte«, sagte sie verächtlich. »Aber das habe ich eigentlich nicht gemeint, und das weißt du auch.«
Dumitru schüttelte den Kopf. »Alcy, ich hatte von Anbeginn dieser wahnsinnigen Farce nichts anderes vor, als dich nach Severinor zurückzubringen. Warum sollte ich meine Meinung jetzt ändern?«
»Weil jetzt dein Leben in Gefahr ist«, erwiderte sie, die Augen grün und ernst.
»Aber ich habe meine Meinung nicht geändert, Alcy«, sagte er schwerfällig. »Nicht einmal deswegen.«
Ihr Lächeln war traurig. »Und ich habe es auch nicht,
selbst wenn ich mir mehr und mehr wünschte …« Sie brach ab, aß ein paar Minuten lang schweigend und sagte dann unvermittelt: »Wie viele Sprachen sprichst du eigentlich?«
Dumitru blinzelte wegen des Themenwechsels, entschied sich aber, darauf einzugehen. Alles, wenn es sie nur von diesen morbiden Spekulationen fortbrachte. »In dieser Gegend spricht die Oberschicht zu Hause grundsätzlich Deutsch, also bin ich damit aufgewachsen. Meine Familie hat außerdem Griechisch gesprochen, weil meine Großmutter Phanariotin war, auch wenn mein Großvater schließlich im Kampf gegen die Griechen gestorben ist.«
»Eine was?« Alcy zog die Augenbrauen zusammen. »Du hast das Wort gerade gesagt.«
»Die Griechen aus Phanar oder auch Fener – das ist ein Stadtviertel von Konstantinopel – hatten das Monopol auf den Großteil jener Regierungsposten, die auch den Christen offenstanden. Meine Großmutter war die Enkelin eines solchen Beamten, eines walachischen Herrschers – weswegen ich mich auch Prinz nennen darf«, erklärte er.
»Ich verstehe«, sagte Alcy mit einem angedeuteten Stirnrunzeln.
»Die Bauern in Severinor sprechen zumeist nur Walachisch, aber ich kann auch etwas ungarisches Madjarisch und den Dialekt, der in den Karpaten gesprochen wird«, fuhr er fort. »Außerdem hat mein Großvater darauf bestanden, dass ich Russisch lerne, weil er der Ansicht war, dass die Zukunft Rumäniens von den Russen abhinge. Aber nachdem Großvater umgekommen war, hat mein Vater verboten, dass in seinem Hause Russisch gesprochen wird. Französisch habe ich gelernt, bevor ich nach Paris aufgebrochen bin, und Englisch während eines sechsmonatigen
Englandaufenthalts. Und natürlich kann ich leidlich Serbisch und den osmanisch-arabischen Dialekt, wie er am osmanischen Hof gesprochen wird. Dazu natürlich Latein und ein wenig altes Kirchenslawisch.«
Alcy sagte eine Weile nichts. Dann meinte sie: »Das sind zwölf Sprachen!« Es hörte sich wie eine Mischung aus Widerspruch und Vorwurf an.
»Ich bin ein Spion, Alcy«, sagte Dumitru und lächelte schief. »Ich bezahle viele Leute dafür, dass sie mir ihre Geschichten erzählen, und die muss ich schließlich auch verstehen können. Und wenn andere Spione oder Diplomaten vorbeischauen, muss ich wortgewandt sein, einen Preis aushandeln, ihnen in ihrer Muttersprache Informationen geben und dabei nur das äußern, was ich sie wirklich wissen lassen will.«
»Jemandem wie Nikolai Iwanowitsch, diesem Russen«, sagte Alcy stirnrunzelnd. »Mit wie vielen Ländern bist du im Geschäft?«
So viel zu seinem Vorhaben, ihr die schmutzigen Details seiner nicht ganz so geheimen Nebenbeschäftigung vorzuenthalten. Nicht dass das jetzt noch irgendeinen Sinn gehabt hätte – ihre Unwissenheit konnte sie jetzt ohnehin nicht mehr schützen. Er sagte: »Mit Österreich, Frankreich und Großbritannien ständig. Manchmal schickt auch Prinz Obrenovi eine Anfrage, die ich beantworte oder auch nicht. Und die Osmanen senden auch gelegentlich ihre Kundschafter.«
»Aber du und der Prinz, ihr habt beide durchblicken lassen, dass der Sultan dich hasst!« Diesmal handelte es sich definitiv um eine Beanstandung.
»Willkommen in der internationalen Politik, Alcyone«,
sagte Dumitru trocken. »Es wäre ihm lieber, es gäbe mich nicht, das steht fest, aber da ich nun einmal spioniere, will er auch alles wissen. Wie auch immer, alle, die mit mir zu tun haben, ahnen schon, dass ich meine Informationen an jedermann verkaufe. Und sie wissen, dass ich weiß, dass sie es wissen. Und die Hälfte ihrer Botengänge zu mir machen sie nur, weil auch die anderen welche machen, was mit den Informationen, die ich von meinen Leuten
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