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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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vergessen hatte -, trotz dieser Leichtigkeit in seiner Stimme, wusste sie, dass er keine Lust hatte, diese Frage weiter zu diskutieren. Alcy hatte nichts gegen die Stille, denn sie war immer noch beängstigend steif und brauchte über die Hälfte ihrer Konzentration, um das Kleiderbündel festzuhalten und nach Verfolgern zu lauschen, wobei ein dumpfer Kopfschmerz ihr jede Lust zu plaudern raubte.
    Sie ritten, ohne anzuhalten, weiter, bis die Sonne aufging. Die erste Stunde verging für Alcy mit der Angst vor
dem Hufschlag und dem Gebrüll der Verfolger, doch im Lauf der Zeit ließ die Angst nach, bis sie nur noch ein leises hohes Wimmern in ihrem Hinterkopf war. Sie machten am Rand einer Straße Halt, um Roggenbrot und Käse zu essen und etwas von dem harzigen kalten Wasser zu trinken, während neben ihnen die Pferde grasten. Brot und Käse: der universelle Reiseproviant, wenn kein Feuer möglich war, so entschied Alcy.
    Sie war dankbar für die Gelegenheit, sich anzuziehen und ihre verbliebenen Haare aufzustecken – und dabei aufrecht stehen zu können, denn ihre Beine protestierten bereits ein wenig gegen die verspätete Rast.
    »Sieht aus wie die Straße, die wir gestern genommen haben«, sagte sie zwischen zwei Bissen.
    »Ist sie auch«, bestätigte Dumitru.
    »Und wir reiten immer noch nach Südosten«, setzte sie hinzu und blinzelte in die Sonne, die sich mittlerweile über den Bäumen erhoben hatte.
    »Ja, sicher«, bestätigte er wieder.
    »Ich weiß, dass das die Richtung ist, mit der sie am wenigsten rechnen«, sagte Alcy stirnrunzelnd. »Aber meinst du nicht, dass wir es uns nur noch schwerer machen, nach Severinor zu kommen, wenn wir in die entgegengesetzte Richtung reiten?«
    »Vielleicht«, sagte er in einem Tonfall, der fast unerträglich liebenswert war. »Die Wahrheit ist, dass ich dieses Land nicht kenne. Die Serben haben gesagt, die Straße führe nach Sofia, das ist nur dreihundert Kilometer von Belgrad entfernt, und da wir schon eine Woche unterwegs sind, kann es nicht mehr weit sein. In ein paar Tagen können wir die Pferde und die Kleider wechseln. Ich kenne da
ein paar Männer, die uns für einen künftigen Gefallen behilflich sein werden.«
    »Deine Spione?«
    Dumitru schenkte ihr ein schiefes Lächeln, und seine Augen glitzerten belustigt. »Aber sicher.«
    Sie kaute auf einem harten Stück Käse herum und schluckte reflexartig, als das Zeug ihren wunden Hals hinunterrutschte. »Ich habe beschlossen, mich darüber zu freuen, dass du ein Spion bist.«
    »Eigentlich ein Spionagechef«, berichtigte er.
    »Was auch immer«, sagte sie und weigerte sich, sich ablenken zu lassen. »Insbesondere dann, wenn diese Hilfe ein warmes Bad beinhaltet, ein richtiges Bad, nicht nur eine Schüssel heißes Wasser in einem eisigen Zelt. Ich glaube, ich weiß schon gar nicht mehr, wie Wärme sich anfühlt.«
    Alcy schien sich nicht so humorvoll, wie beabsichtigt, angehört zu haben, denn Dumitru stockte, bevor er den nächsten Bissen nahm, und sah sie an.
    »Ich habe Decken dabei -«
    »Nein, nein«, unterbrach sie ihn hastig. »Es geht schon. Wirklich. Es geht mir gut.« Dann schenkte sie ihm ein Lächeln, das er misstrauisch beäugte, bevor er mit drei weiteren Bissen sein Mahl beendete.
    Als Alcy mit dem Brot fertig war, stieg sie wortlos aufs Pferd und ignorierte die dünnen Wolken der Erschöpfung, die an ihrem Bewusstsein zupften, und den Kopfschmerz, der sich wie ein pochendes Band um ihren Schädel legte. Dumitru schwang sich elegant in den Sattel und ließ sein Pferd Schritt gehen. Alcy folgte ihm, richtete sich im Sattel auf und bot dem Tag die Stirn, was immer er auch bringen mochte.

Kapitel 18
    Dumitru schwirrten die Sinne, und zwar nicht so sehr vor Adrenalin oder Angst, sondern vor purer Lebensenergie. Die letzten eineinhalb Wochen war er ein Gefangener gewesen, als hätte ihn jemand in Belgrad in den tiefsten Kerker geworfen. Jetzt war ihm, als träte er ins Licht hinaus und atme frische Luft. Er war entschlossen, sich nie wieder einsperren zu lassen.
    Er lauschte konzentriert, ob sonst jemand die Straße nahm, und war dabei so achtsam, dass er die Pferde schon Minuten, bevor der erste Reisende in Sicht kam, ins Unterholz dirigierte. Die meisten waren einfache Bauern, die zu einem Nachbardorf unterwegs waren, aber einmal tauchte eine Gruppe von Reitern in den Farben der osmanischen Armee auf; sie eskortierten einen Beamten, der östliche Gewänder und eine komplizierte Haartracht trug. Ein

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