Nacht des Verfuehrers - Roman
anderes Mal marschierte ein Trupp wüster Gestalten mit geschulterten Gewehren vorbei: die bulgarischen Brüder der Hajduken, die ihn und Alcy vor annähernd zwei Wochen gefangen genommen hatten.
Jedes Mal, wenn Dumitru sie von der Straße wegbrachte, konnte er sehen, wie Alcys Schultern sich verspannten, aber sie brach niemals ihr eisernes Schweigen, obwohl ihr braver Wallach ihrer Anspannung wegen schon irritiert tänzelte. Er wusste nicht recht, ob es die Angst vor der Gefangennahme
war oder die Verzögerung durch das lange Warten im Unterholz, was sie so ängstigte, aber sie rückte nicht mit dem Grund heraus, und deshalb fragte er auch nicht nach.
Als der Abend dämmerte, hielt er an. Die Pferde waren noch bei Kräften. Sie stammten aus dem Stall des Prinzen und hatten nichts mit den heruntergekommenen Ponys der Hajduken gemein. Aber Dumitru wollte keine Verletzungen riskieren, und so ritten sie nur durch die Nacht, wenn es unbedingt sein musste.
Er entschied, den Pferden Sattel und Zaumzeug abzunehmen, auch wenn es die Gefahr barg, unvorbereitet erwischt zu werden. Zu seiner Überraschung machte Alcy sich, kaum dass sie abgestiegen war, schon am Sattelgurt zu schaffen. Sie ächzte ein wenig unter dem Gewicht des Damensattels, schleppte ihn dann aber, ohne besonders angestrengt zu wirken, neben seinen, der bereits unter einem Baum lag.
»Mir war gar nicht klar, dass du weißt, wie das geht«, sagte er, während er sein Pferd mit einem Striegel trocknete, den er einem der Gardisten gestohlen hatte.
Alcy sah ihn an, und ihre Verblüffung wich augenblicklich einem gequälten Amüsement. »Ich auch nicht, bis ich mit Raisin allein war. Aber den Sattel wieder richtig aufzulegen, das schaffe ich nicht.« Sie senkte die Augen, weil ihr die Schamesröte ins Gesicht schoss, was selbst beim letzten Sonnenschimmer noch deutlich zu erkennen war.
»Hat es dir je jemand gezeigt?«, fragte er sachlich.
»Nein«, erwiderte sie mit einem Anflug von Trotz. »Aber es sieht so einfach aus.«
Er konnte nicht anders, er brach in Gelächter aus.
»Gott, Alcy, wenn nur alles, was einfach aussieht … Ehrlich gesagt, ein Pferd zu satteln ist nicht schwierig, insofern man den Trick kennt. Soll ich es dir morgen zeigen?«
»Hast du keine Angst, dass ich dir wieder davonlaufen könnte?«, fragte sie leise und mit einem Mal scheu.
»Nein. Du weißt ja nicht wohin«, sagte er schlicht und reichte ihr den Striegel.
Sie schien ihn eine Weile anzustarren, doch er konnte ihre Miene mittlerweile nicht mehr richtig erkennen. Dann fing sie an, ihr Pferd zu striegeln – mit zu kurzen, zu leichten Bürstenstrichen. Er stellte sich hinter sie, legte seine Hand auf die ihre und führte sie fest über Rist, Hals, Bauch und Flanken und bürstete die Sattelmarkierungen weg. Es fühlte sich gut an, ihren Körper an seinem zu spüren – als gehöre er dorthin. Und Alcy lehnte sich instinktiv an ihn.
»Ich könnte nach Norden reiten«, sagte sie, die Stimme kaum ein Flüstern. »Oder in Richtung Süden nach Sofia. Oder nach Westen.«
»Möchtest du das?«, murmelte er ihr ins Ohr, nicht lauter als sie.
Es folgte eine lange Pause, in der nur das Geräusch des Striegels an der Flanke des Pferdes zu hören war. Dann antwortete sie endlich: »Nein, ich glaube nicht, dass alles wieder so wird wie früher. Aber ich bin es leid davonzulaufen. Ist das nicht ein dummer Grund aufzugeben? Aber es ist wahr. Ich bin erschöpft, Dumitru. Ich werde einen Weg finden, mein Vermögen zu sichern und es vor deinen künftigen Übergriffen zu schützen, glaube mir, aber so etwas will ich nicht noch einmal durchmachen.«
»Was, wenn ich dich gehen lasse?« Die Worte entwischten ihm, bevor er eine Chance hatte, sie zu bedenken, und
er erstarrte vor Schreck, aber auch weil Alcy plötzlich erstarrte. Der Striegel stoppte, ruhte vergessen an der Flanke des Pferdes.
»Meinst du das ernst?«, keuchte Alcy. Er wusste nicht, welcher Natur das Gefühl war, das ihre Stimme so ins Wanken brachte.
»Ja, schon«, sagte er und zwang sich, ruhig zu bleiben. »Wir müssten uns, was meinen Teil der Mitgift angeht, natürlich irgendwie einigen. Aber wenn du gehen willst …« Seine Stimme verlor sich, er wusste plötzlich nicht mehr weiter.
»Willst du denn, dass ich gehe?« Sie hatte ihre Stimme wieder unter Kontrolle, aber die Anspannung ließ sie ein wenig hastig sprechen. »Ich könnte es absolut verstehen, und es war auch sehr nobel von dir, mich mitzunehmen, als du das
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