Nacht des Verfuehrers - Roman
alarmiert: »Und wer, meinen Sie, bin ich?«
Der Mann grinste. »Mein lieber Freund, Sie können niemand anders als unser abgängiger Graf aus der Walachei sein. Den Spionen des Sultans ist bekannt, dass Sie seit drei Tagen von Belgrad hierher unterwegs sind. Und wie Sie wissen, ist die Hälfte der Spione des Sultans auch meine.
Und Ihre natürlich, solange Sie mir für meine Informationen, die ich natürlich nur aus rein kaufmännischen Gründen erhebe, eine so großzügige Prämie schicken.«
»Natürlich«, sagte Dumitru, dem der Mann auf der Stelle unsympathisch war. Der Ladenbesitzer wäre vielleicht die bessere Wahl gewesen. Der Mann war zwar nicht so reich, aber er hatte Verbindungen …
»Und dieser Walache ist eine so außergewöhnliche und so clevere Persönlichkeit, dass er seinen Häschern natürlich entflieht und nun vor meiner Türe erscheint«, fuhr der Mann fort und störte Dumitru in seinen Überlegungen. »So etwas Ähnliches habe ich mir jedenfalls gedacht, als der Pförtner gesagt hat, dass ein mysteriöser junger, aber grauhaariger Mann vor meiner Tür stünde und darauf bestände, mich zu sprechen. Also, was genau wollen Sie?«
Es war zu spät, um umzudisponieren, also erzählte ihm Dumitru, so schnell er konnte, die sorgsam gekürzte Version der Geschichte, wobei sein Argwohn ihn davon abhielt, das Geld, das er bei sich trug, ins Spiel zu bringen. Es hätte seine Lage womöglich noch prekärer gemacht. Er hätte zu einem Mietstall gehen, eine Kutsche anmieten und sich und Alcy in einer Pension unterbringen sollen, anstatt die Fühler in Richtung seiner sogenannten Kontakte auszustrecken. Gott, aber der Kopf tat ihm so weh. Er war zu erschöpft, zu verängstigt, um klar zu denken, und hatte deshalb einfach seinen ursprünglichen Plan weiterverfolgt. Er konnte nur hoffen, dass er keinen fatalen Fehler begangen hatte. Und selbst wenn das der Fall war, so war Alcys Aufenthaltsort preiszugeben noch immer ihre einzige Hoffnung. Wenn niemand sie abholte, würde sie sterben, sobald die Nacht kam. Sie war nicht in der Lage, Feuerholz
zu sammeln. Also erzählte er ausführlich von ihrem Charme und ihrer außergewöhnlichen Schönheit und hoffte, dass der Bulgare sie wenigstens aus unehrenhaften Gründen suchen würde, wenn er es schon nicht aus ehrenhaften tat.
»Nun«, sagte Penev jovial, als Dumitru fertig war, »dann werde ich sofort jemanden losschicken, der die Lady abholt. Ich denke, ich kenne die Stelle, die Sie beschrieben haben.« Er klatschte zweimal in die Hände, und ein Dutzend großer Männer im Kaftan und mit dem Fes auf dem Kopf traten hinter ihm durch die Tür, um sich an einer der Wände aufzustellen.
Dumitru stand auf; er war überzeugt, in eine Falle geraten zu sein. Der Raum um ihn herum verschwamm ein wenig. Der Kaufmann sagte etwas auf Bulgarisch. Zwei von den Männern verbeugten sich und traten vor.
»Ja«, fuhr Penev lächelnd auf Deutsch fort. »Wir werden uns Ihrer kleinen Frau annehmen. Der Beylerbey wird sehr erfreut sein, sie beide zu sehen. Und ich fürchte, dass mir das mehr bedeutet als Ihre gelegentlichen Zahlungen.«
Die Männer kamen auf Dumitru zu. Er drehte sich um, aber sie hatten ihn bereits eingekreist. Gefangen.
Er spie einen Fluch. All die Frustration und der Zorn der letzten beiden Wochen entluden sich, und obwohl er wusste, dass es sinnlos war, stürzte er sich auf den nächstbesten Kerl. Er holte mit der Faust aus, traf den Mann mit befriedigendem Knirschen auf die Nase. Sofort waren alle um ihn herum. Er holte wieder und wieder aus, während die Schläge auf ihn niederprasselten, ihn aus jeder Richtung trafen. Stühle und Tische fielen um, und Dumitru kämpfte sich nach hinten zur Wand, während Penev seine
Männer anschrie, dass sie auf seine Möbel aufpassen sollten.
Dumitru schlug unzählige Male zu, für sich und Alcy und ihre geplatzten Hoffnungen. Er spürte die Wucht der Fäuste, die ihn trafen, doch Schmerz fühlte er keinen, selbst dann nicht, als der letzte Schlag ihn traf und das Licht vor seinen Augen explodierte, als sein Kopf hinten an die Wand krachte.
Und danach spürte er nichts mehr.
Alcy erwachte, weil sich Schritte näherten. Dumitru – die Kutsche, dachte ihr träger Verstand gerade zusammenhängend genug, um ein wenig erleichtert zu sein. Sie schlug die Augen auf und blinzelte gegen die Müdigkeit, den Schmerz und das Fieber an.
Aber die Männer, die zwischen den Bäumen heraustraten, waren Fremde. Alcy kam panisch auf
Weitere Kostenlose Bücher