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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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die von Blasen übersäten Füße. Alles um sie herum drehte sich gefährlich, Schwärze stieg auf und wollte sie einhüllen.
    »Oh, verdammt, nicht schon wieder«, murmelte sie, dann wurde sie von der Dunkelheit geschluckt und wusste von nichts mehr.

Kapitel 20
    Alcy wusste nicht, wie lange sie schon in dem dunklen warmen Zimmer lag, das nach sonderbaren orientalischen Gewürzen und fremder Medizin duftete. Anfangs war sie zu krank gewesen, als dass es sie interessiert hätte. Sie spürte die Zeit vorüberziehen, und die Gesichter der Menschen, die sich über sie beugten und sie umsorgten, waren ihr mittlerweile vertraut. Sie trank, was man ihr zu trinken gab, und hustete, wenn man ihr zu husten befahl. Aber diese Leute beantworteten keine der Fragen, die sie zu stellen versuchte, und so gab sie es nach einer Weile auf. Stattdessen starrte sie das Muster des Mosaikbodens an, während die Wände im trüben Licht der einen Kerze, die Tag und Nacht den Raum erhellte, zu tanzen schienen.
    Schließlich sank das Fieber, ließ sie schwitzend und elend, aber mit klarem Kopf zurück, auch wenn das Denken noch viel zu wehtat. Ihre Träume verloren die fiebrige, phantastische Anmutung und verwandelten sich in simple Albträume. Immer und immer wieder stellte sich der Traum ein, in dem sie und Dumitru in einem Raum ohne Fenster und Türen gefangen waren; in einem Raum mit einem schwarz-weißen Kachelboden, der sich bewegte, sobald man ihn ansah. Und sie mussten zuerst herausfinden, was es mit den drei großen Dreiecken auf sich hatte, die den ganzen Raum dominierten, bevor sie fliehen konnten.

    Dann, eines Tages, schlug sie die Augen auf und stellte fest, dass das Fieber endgültig verschwunden war. Die Lösung des Kachelbodentraums schoss ihr durch den Kopf, und sie lachte – hysterisch, bitter, dümmlich -, bis sie vor Erschöpfung zitterte und die Tränen ihr übers Gesicht liefen.
    »Gräfin Severinor?«, sagte die Frau, die neben ihrem Bett saß, mit aufgeregter Stimme. Jeder hier nannte sie so, obwohl sie sicher war, nie ihren Namen genannt zu haben. »Fehlt Ihnen etwas?«
    »Nein, nichts«, erwiderte Alcy, ließ sich matt in das diwanähnliche Bett sinken und starrte an die Decke. »Ich habe gerade eine neue Form der mathematischen Niederschrift entdeckt, aber das wird weder mir noch irgendjemandem sonst zu etwas Gutem gereichen.« Sie verbrachte den Rest der Zeit, bis sie wieder in Schlaf sank, damit, ins Nichts zu starren. Die eine Hälfte ihres Verstands wälzte wieder und wieder ihre Angst um Dumitru um – wie einen Berg aus Kieselsteinen, die längst schon glatt geschliffen waren; und die andere Hälfte schob Gruppen aus extrakomplexen Zahlen in tanzenden Gittern zurecht und ging all die Berechnungen durch, die sie früher so frustriert hatten.
    Bald – am nächsten Tag? – wurden die schweren Vorhänge zurückgezogen, und zwei Stockwerke unter ihr kam ein großer, sonniger, ummauerter Garten zum Vorschein. Man gestattete ihr, sich anzukleiden und im Zimmer auf und ab zu gehen, aber ihre Beine waren bestürzend schwach, was größere Anstrengungen unmöglich machte. Es war ihr auch nicht erlaubt, den Raum zu verlassen, und die Frauen, die sich um sie kümmerten, beantworteten
keine ihrer Fragen. Doch als sie um Bücher bat – auf Deutsch, Englisch, Französisch, Latein oder Griechisch -, brachten sie ihr eine große Auswahl, die ihr Wissen um den Mann, der sie gefangen hielt, um drei Faktoren erweiterte: Er war reich, er besaß eine beeindruckende Bibliothek und er war Mohammedaner. Letzteres hatte eigentlich keiner Schlussfolgerung bedurft, denn die Frauen, die sie umsorgten, trugen türkische Gewänder und sprachen häufig, aber in unchristlicher Weise von Gott.
    Alcy suchte sich eine handschriftliche historische Abhandlung aus, die offenkundig aus byzantinischer Zeit stammte. Sie war in einem griechischen Dialekt verfasst, der schwer zu entziffern war und ihre ganze Konzentration erforderte. Sie las, und sie wartete.
    Endlich, vier Tage später, sagte eine der Frauen ohne jegliche Vorrede: »Ihr Ehemann war lange Zeit sehr krank, aber nun geht es ihm besser. Der Beylerbey hat mit ihm gesprochen, jetzt, da die Ansteckungsgefahr vorüber ist. Der Beylerbey hat entschieden, dass er und Sie zum Sultan gebracht werden sollen, der mit Ihnen verfahren wird, wie es ihm beliebt. Und ich soll mit Ihnen kommen. Mein Name ist Aygul.«
    Alcys Herz tat einen Sprung – vor Freude und einer Erleichterung, die so enorm

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