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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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Verderben.
     
    Sie entfernten sich von Sofia, ließen die Wildnis Serbiens und Nordbulgariens hinter sich und tauchten in eine andere Welt ein. Die Straße war jetzt gepflastert. Der fünfzehnhundert Jahre alte Karawanenweg, der nach Süden in die alte byzantinische Hauptstadt führte, war von den Leuten des Sultans in Stand gesetzt worden und in regelmäßigen Abständen von Dörfern und Herbergen gesäumt, welche die osmanischen und griechischen Karawanen sowie die Regierungsbeamten versorgten. Der frühe Winter war einem milden Spätherbst gewichen, und es wurde von Tag zu Tag wärmer, als sie sich aus dem kalten Landesinneren auf Konstantinopel und die angenehmen Gestade des Mittelmeers zubewegten.
    Tagtäglich sah Dumitru aus den unverglasten, vergitterten Fenstern der Kutsche, wie die Wälder zunehmend Feldern und Dörfern wichen. Alcy saß neben ihm. Sie schwiegen zumeist, nachdem sie einander alles erzählt hatten, was sich in der Zwischenzeit zugetragen hatte. Alcys Kopf lag an seiner Schulter, und sie sah zum Fenster hinaus, während sich ihre neue Zofe mit einer Handarbeit beschäftigte.
Wenn sie doch miteinander sprachen, dann nur über Belanglosigkeiten. Sie scheuten vor allem zurück, was mit dem drohenden Schicksal zu tun hatte. Dumitru erzählte von Byzanz und dem Osmanischen Reich, den Lebensgewohnheiten der Menschen und von seiner Kindheit. Alcy berichtete von ihrer Kindheit in Leeds und ihrem Mentor Ezekiel, den sie vielleicht geheiratet hätte, wären die Dinge anders verlaufen, von ihrer Gouvernante Gretchen, den sonderbaren Freundschaften, die sie die Jahre über geschlossen hatte, und von den vier erfolglosen Ballsaisons in London.
    »Die Stadt wird dir fehlen«, sagte Dumitru. »Jede Stadt.«
    »Ja«, gab sie zu und sah ihn mit katzenhaft grünen Augen an. »Deshalb wollte ich ja auch nach Wien. Du hattest Recht, am Leben bei Hofe liegt mir nichts. Ich wollte die Energie und das Getümmel der Stadt, die Museen und Universitäten und Opernhäuser. In manchen Städten gibt es sogar literarische oder wissenschaftliche Salons oder Clubs, in denen auch Frauen zugelassen sind. Vielleicht nicht gleichberechtigt, aber zumindest nicht nur zur Dekoration.«
    »Meistens sind das aber die Gastgeberinnen selbst oder irgendwelche Dirnen«, merkte Dumitru trocken an.
    »Und wenn schon«, sagte sie und schüttelte den Kopf, dass ihre kurzen Locken nur so hüpften.
    »Manchmal vermisse ich Paris«, gab er zu, »wenn die Ernte eingebracht und die Arbeit des Sommers getan ist. Im Winter stehen dann nur noch ein paar kleinere Reparaturarbeiten an, falls das Wetter gut ist, und den Rest des Tages und die langen Nächte sitzt man vor dem Feuer, trinkt
Brandy und liest die Bücher, die man schon ein Dutzend Mal gelesen hat.«
    »Nun, dann verbringen wir den Winter eben in Paris«, sagte Alcy entschieden. »Oder in Deutschland. Oder Schottland. Ich habe ein paar Brieffreunde an der Universität von Edinburgh, die es vermutlich nicht allzu sehr erstaunen würde, dass ich eine Frau bin. Oder wir gehen nach Cambridge.«
    Dumitru lachte und zog sie an sich. »Dafür müsstest du schon deine drei Prozent angreifen. Ich habe dir doch gesagt, dass fünftausend Pfund nicht weit reichen, wenn man fünftausendfünfhundert Quadratkilometer Felder und Wildnis, auf denen sich seit vierhundert Jahren nichts mehr getan hat, innerhalb eines Lebens modernisieren will.«
    »Ich würde für den Kanal in jedem Fall die eigentliche Mitgift angreifen«, erwiderte sie. »Wie viel soll er eigentlich kosten?«
    »Fünfzehntausend«, sagte er. Es schien eine Ewigkeit her zu sein, dass dieser Kanal sein größtes Problem dargestellt hatte. »Die konservativsten Schätzungen gehen von einer jährlichen Rendite von sechshundert Pfund aus, falls wir unsere Produktivität nicht verbessern.«
    »Nun«, sagte sie und kuschelte sich fester an ihn. »Warum hast du das nicht gleich gesagt? Das wären vier Prozent der Investitionssumme. Der Profit ginge natürlich an mich, da es ja auch mein Kapital ist, ja?«
    Er sah sie erstaunt an und brach in Gelächter aus. »Wie wäre es mit der Hälfte? Das Kapital mag ja deines sein, aber die Planung und die Bauleitung liegen bei mir.«
    »Sechzig-vierzig«, konterte sie.

    »Abgemacht.«
    Sie sah ihn misstrauisch an. »Du meinst das doch wirklich ernst, oder?«
    Er stutzte. »Du nicht?«
    Sie lächelte ein wenig. »Nein. Du würdest die vollen fünfzig Prozent haben wollen, um sie in dein Land zu

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