Nacht des Verfuehrers - Roman
Augenblick mit
Dumitru? Er konnte überall sein. Vielleicht direkt unterhalb ihrer Füße …
Sie spürte ihr Lächeln gefährlich zittern und nahm sich zusammen, während Sir Edwards Miene eindringlicher wurde. Aber bevor er etwas sagen konnte, hatte Lady Bunting sie auch schon weggezogen, um sie auch noch dem letzten Gast vorzustellen, Mr. Robert Boyd – der nächste reiche Brite, ein schlichter Reisender nur, der fröhlich eingestand, dass er weder einem Hobby noch einer Wissenschaft nachgehe, die seine Globetrotterei gerechtfertigt hätten. Alcy lachte freundlich über seine Scherze, aber sie konnte ihm ansehen, dass der Mann nicht geneigt war, sich an einer Konspiration gegen einen ausländischen Potentaten zu beteiligen.
Anfangs hörte Alcy einfach nur zu, wie die Gäste sich unterhielten, während der Sultan in die Runde blickte und sein Privatorchester leise Musik intonierte. Sie hatte nie zuvor eine Intrige gesponnen, und ihr war bewusst, dass sie erst ein klein wenig über den Mann oder die Leute in Erfahrung bringen musste, die sie für ihr Vorhaben gewinnen wollte.
Sie fand heraus, dass Sir Edward und Mr. Boyd bei den Buntings zu Gast waren, die für die Dauer ihres Aufenthalts in Konstantinopel ein Haus angemietet hatten. Admiral Bunting war am östlichen Mittelmeer stationiert, insofern sie das richtig verstanden hatte, und sein Besuch in Konstantinopel war eine halb offizielle Unternehmung – ungezwungen genug, um seine Frau mitzunehmen, aber doch auch so politisch, um viele Abende allein mit dem Sultan und dem britischen Botschafter zu verbringen.
Sie war eine politische Größe … Diese Vorstellung war
ihr immer noch fremd, doch als sie sie genauer durchdachte, ergab doch alles einen Sinn. Der Admiral und seine Frau, britische Staatsbürger wie sie, hatten gehört, dass sie hier war und wünschten mit ihr zu speisen, und zwar nicht aus einem kapriziösen Impuls heraus oder aufgrund patriotischer Verbundenheit, sondern weil sie auf offiziellem Weg von ihr erfahren hatten und sie unter den Schutz Großbritanniens stellen wollten. Aber was hatten sie vor? Und wie viel hatte sie bei alldem zu sagen? Alcy bezweifelte, dass sich ihre Machtbefugnisse auf einen rumänischen Grafen erstreckten. Dumitrus Unversehrtheit hing allein von ihr ab, doch sie wusste nicht, ob sie dieser Belastung gewachsen sein würde.
Sie streifte den Sultan mit flüchtigem Blick und sah ihn plötzlich in einem anderen Licht. Er war ein Autokrat mit sagenhaften Machtbefugnissen, ja, aber er war auch in Bedrängnis: Sein Einfluss im Ausland bröckelte, und im eigenen Land herrschten Rebellion und Korruption. Kein Wunder also, dass er darauf erpicht war, an Dumitru ein Exempel zu statuieren, weil er unterminierte, was an Stabilität in seinem riesigen Land noch vorhanden war.
»Ich habe versucht, ein paar der Haremsdamen aus ihrem Versteck zu locken, damit sie uns bei den westlichen Abenden, die der Sultan zu veranstalten pflegt, Gesellschaft leisten«, sagte Lady Bunting leichthin. »Aber ich konnte sie nicht überzeugen, dass der Stil des Dinners es durchaus rechtfertigt, unsere Gepflogenheiten nachzuahmen; sie halten dergleichen für skandalös. Aus diesem Grund sind unsere Gesellschaften immer recht einseitig. Es ist ja so eine Freude, wenigstens eine Frau dabeizuhaben, welche die Dominanz des Maskulinen etwas auflockert.«
»Insbesondere, wenn es sich um eine so bezaubernde Dame handelt«, ergänzte Mr. Boyd heiter und ohne jegliche Hintergedanken. »Lady Bunting hat etwas von einer schrecklichen Reise verlauten lassen, die Sie hinter sich haben. Ich konnte ein paar von den Angestellten bestechen, mir sämtliche Gerüchte zuzutragen, und einer von ihnen hat mir berichtet, dass Sie von Banditen überfallen worden seien. Ich beneide Sie ungeheuer! Ich würde ja so gern einmal von Banditen überfallen werden! Oder vielleicht auch eher nicht, aber es wäre schön, es von sich behaupten zu können – der Stoff gibt eine wirklich gute Geschichte ab!«
Aus Lady Buntings Stirnrunzeln zu schließen, hatte sie tatsächlich von Alcys Abenteuer erzählt – allerdings mit dem Zusatz, dass ja keiner Alcy daran erinnern solle. Doch wie konnte Lady Bunting erwarten, dass Alcy auch nur einen Moment lang vergaß, was ihr widerfahren war, wenn Dumitru in solcher Gefahr schwebte?
»Ich muss schon bitten, Robert«, polterte der Admiral, worauf Mr. Boyds Ohren sich rötlich verfärbten. »Es war bestimmt ganz schrecklich für das arme
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