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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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und verzärtelt hat, der mich mit Geschenken überhäuft hat, würde das nicht für mich tun. Nicht einmal meine Mutter, die mir die Schönheit Vergils und Euripides’ nahegebracht und mir die Tochter eines deutschen Professors als Gouvernante besorgt hat, würde es für mich tun. Wie könnte ich dergleichen von jemandem erwarten, den ich gerade ein paar Stunden lang kenne?«
    Seine Schuldgefühle versetzten ihm einen tiefen, scharfen Stich – der allerdings nicht tiefer ging als jener, den er beim Anblick der heruntergekommenen, ärmlichen Dörfer seiner Region verspürte, wenn er sie mit den stattlichen Gemeinden des Westens verglich. Es war nur ein Stich unter vielen, wenn auch ein schmerzlicher. Er wünschte, er hätte sie um Verzeihung bitten können, doch es wären nur hohle Worte gewesen, denn er würde es sich nicht mehr anders überlegen. Stattdessen streckte er die Hand über den Tisch aus und legte sie an ihre Wange. Sie erstarrte, wich aber nicht zurück. So kühl ihre rosa getönte Haut wirkte, so heiß und seidig fühlte sie sich unter seinen Fingern an. »Ich möchte, dass Sie glücklich werden«, sagte er.
    »Das wollen meine Eltern auch«, erwiderte sie gleichmütig. »Und dennoch lassen sie mich einen Fremden heiraten. Und Sie drohen damit, mich wegzusperren.«
    Die Traurigkeit und die Verbitterung in ihrer Stimme
trafen ihn tiefer als jeder gallige Vorwurf. »Ich täte das nur ungern. Ich bezweifle, dass Sie mir das je vergeben würden. Und ich weiß nicht recht, ob ich das verdient habe.« Er stockte und setzte unter Schwierigkeiten hinzu: »Wollen Sie Benedek denn wirklich heiraten? Oder in Schande nach England zurückkehren?«
    »Ich weiß nicht.« Sie setzte sich zurück. »Ich weiß nur, dass ich Sie umbringe, falls Sie mich vergewaltigen. Vielleicht nach einem Monat oder erst in zwanzig Jahren, aber ich tue es. Selbst wenn ich Sie lieben lerne.«
    Er begriff, dass es ihr todernst war – ja, dass sie wirklich dazu fähig war. Es war keine Drohung, sondern eine simple Feststellung. Sein Herz zog sich plötzlich vor Schmerz zusammen – ihretwegen oder seinetwegen, er wusste es nicht. »Ich würde das niemals tun. Glauben Sie mir, Alcyone, es gibt Dinge, vor denen sogar ich zurückschrecke.« Er schenkte ihr ein schiefes Lächeln. »Und deshalb weiß ich auch, dass zwischen mir und den Benedek Jánosches dieser Welt ein Unterschied besteht. Manchmal ist ein Mensch wichtiger als eine Mission.« Bei seinem Spiel mit den großen Nationen war er sich dessen immer sicher.
    Sie sah zu ihm auf und nickte langsam. Sie hatte ein gehetztes Flackern in den Augen, das sein Blut erhitzte und seinen Körper unter Spannung setzte. »Ich glaube Ihnen.«
    »Ich habe schon viele Menschen belogen, und auch Sie habe ich hintergangen. Aber was immer ich getan habe oder tun werde, ich werde Ihnen nie die Unwahrheit sagen.« Die Worte kamen mit einer Inbrunst heraus, die er nicht beabsichtigt hatte, und er hielt inne, um sich zu sammeln. Selbst wenn ich Sie lieben lerne , hatte sie gesagt. Er suchte in ihren Augen und entdeckte die Sinnlichkeit in ihren
flackernden Tiefen. »Aber ich glaube nicht, dass Sie mich so lange warten lassen, bis ein derart extremer, verdammenswürdiger Schritt mich reizen könnte«, sagte er bedächtig.
    »Und warum nicht?« Ihre Stimme bebte und war ein wenig heiser, und ihre Augen blitzten heiß unter dem dunklen Wimpernkranz hervor.
    »Was meinen Sie dazu, Alcy?«, fragte er mit schiefem Lächeln. »Ich würde sagen, weil Sie jetzt schon bereit sind.«
    Es folgte ein langer atemloser Moment, in dem Alcy nicht einmal mehr Luft zu holen schien. Ihr Porzellangesicht war bar jeden Ausdrucks, aber sie suchte mit klaren Augen sein Antlitz ab, bevor sie den Blick senkte, um seine breiten Schultern zu taxieren, die Kontur seiner Arme, die Hände, die entspannt auf dem Tisch lagen. Schließlich hob sie den Blick wieder und sah ihm ins Gesicht.
    »Sie arroganter Idiot«, deklamierte sie. Dann erhob sie sich, beugte sich über den Tisch, stützte die Hände an beiden Seiten seines leeren Tellers ab und küsste ihn.

Kapitel 4
    Sein Mund ruhte reglos unter ihrem – einen Moment nur, nicht länger. Seine Erstarrung löste sich, und er nahm ihr Gesicht in beide Hände, zog sie hart zu sich, während seine Lippen und seine Zunge sich an sie drängten. Die Hitze schoss ihr durch den Leib, erfasste ihre Gliedmaßen und hinterließ eine prickelnde Empfindsamkeit. Seine Handflächen waren ein wenig rau

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