Nacht des Verfuehrers - Roman
sah auf, als Dumitru ihr den Teller hinstellte. Ihm war nicht anzusehen, was für eine Antwort er erwartete.
»Ich kenne mich nicht besonders gut mit Pferden aus, aber es hat mir gefallen«, erwiderte sie ausweichend und rief sich die schwarze Stute in Erinnerung. »Die Stute ist brav, intelligent und gut ansprechbar, aber mehr vermag ich nicht zu sagen.«
»Dann gehört sie dir.« Er lächelte sie an, und Alcy verglich ihn unwillkürlich mit Volynroskyj, der neben ihm saß. Volynroskyj – der Jüngere von beiden? Doch sie war sich nicht sicher – hatte mit ihrem Gatten einen gewissen Charme gemein und war bestimmt gut aussehend auf seine Goldlöckchenart, aber dennoch wurde sie das Gefühl nicht los, dass er irgendwie seicht war. Vielleicht verbarg sich hinter seinem Charme ja ein scharfer Verstand, aber jedenfalls keiner, der so komplex wie der von Dumitru gewesen wäre, keiner mit so viel Licht und Schatten. Sie kannte Männer wie Volynroskyj, und sie kannte sie gut – charmant, gönnerhaft und schnell gelangweilt, wenn etwas nicht sofort ihre Eitelkeit kitzelte.
»Es gibt hier kaum Abwechslung, aber mit einem Pferd hast du wenigstens die Möglichkeit, dich ausreichend zu bewegen«, fuhr Dumitru fort.
»Versuchst du jetzt, den Zusammenhang zwischen körperlicher Ertüchtigung und zu fest geschnürten Korsetts herzustellen?«, erwiderte Alcyone reflexartig. Herr Volynroskyj räusperte sich leise, und Alcy lief ob der Indiskretion flammendrot an. Sie machte sich auf eine Rüge gefasst.
Dumitru jedoch benahm sich, als sei nichts passiert. »Ich würde nie wagen, dich von irgendetwas überzeugen zu wollen«, antwortete er ernst, »nur weil du bei etwas prinzipiell anderer Ansicht bist als ich.«
Alcy lächelte. »Vermutlich. Wie heißt das Pferd eigentlich?«
Dumitru stockte ein wenig. »Um ehrlich zu sein, ich kann mich nicht mehr erinnern, was für einen Namen ich ins Zuchtbuch eingetragen habe. Die Stallburschen haben ihre eigenen Spitznamen für die Pferde, die ich üblicherweise auch benutze, jedenfalls für die Pferde, die ich nicht reite. Aber wenn du der Stute selbst einen Namen geben willst, tu dir keinen Zwang an.«
»Da sie jetzt mir gehört, mache ich das gern«, sagte Alcy. Sie dachte kurz nach. Sie kannte das Pferd noch nicht gut genug, um es nach einer Charaktereigenschaft zu nennen, und was die Äußerlichkeiten anging, so war die schwarze Farbe das offenkundigste Merkmal. Aber Blacky war ein Name für einen Droschkengaul, und die für schwarze Reitpferde gebräuchlichen Namen waren für ihren Geschmack viel zu melodramatisch. Außerdem zielten sie auf meist auf ein Ungestüm ab, das die Stute allerdings nicht besaß. »Wie wäre es mit Raisin«, schlug sie schließlich vor. Sie hatte den Namen auf Englisch gesagt, und Volynroskyj runzelte verwirrt die Stirn.
Dumitru lachte, was Alcy einen kleinen Schauder über die Haut jagte. »Wirklich passend und doch für die künftige Mutter eines aristokratischen Pferdegeschlechts überaus unpassend.«
»Das hört sich eher nach einem Pony an, nicht wahr?«, fragte sie, war aber durchaus zufrieden mit sich. »Ich denke, der Name ist perfekt. Dunkel, aber süß und ohne Prunksucht.«
»Jedenfalls weiß ich gewiss, dass ich diesen Namen nicht ins Zuchtbuch geschrieben habe.« Seine Augen lachten,
auch wenn sein Mund nicht den Anflug eines Lächelns aufwies.
»Keine Sorge«, sagte sie schnippisch. »Ich bin sicher, Raisin ist es egal, wie man sie nennt.«
Sie verfielen in ein unangenehmes Schweigen, das Herr Volynroskyj schließlich mit einer an Dumitru gerichteten Frage brach. »Hast du vor, die Ernte dieses Jahr vom Schloss aus zu beaufsichtigen?«
Dumitru sah automatisch Alcy an. »Ja, ich denke, es ist alles in guten Händen, wenngleich ich im Frühling wieder alle Dörfer besuchen muss.«
»Braucht das Land so viel Aufmerksamkeit?«, fragte Alcy zögerlich. Sie war aufrichtig neugierig, fürchtete aber, er könne die Frage für dumm halten. »Ich dachte, Adelige hätten ihre Verwalter – so wie Mr. Volynroskyj -, die sich um diese Dinge kümmern. Mein Vater verschwendet keinen Gedanken an seinen neuen Landsitz.«
»Dein Vater hat auch nicht vor, das Landleben zu revolutionieren«, sagte Dumitru mit einem belustigten Blitzen im Blick, das Alcy ein flatteriges Gefühl im Magen bescherte. »Die Schäfer müssen darin bekräftigt werden, wieder Landbau zu treiben. Die Bauern müssen davon überzeugt werden, dass meine neuen Methoden ihr Leben
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