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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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verbessern, nicht verschlechtern. Und die Bojaren müssen davon überzeugt werden, dass ich sie nicht in Kaufleute verwandeln will. Sie würden lieber zusammen mit ihren Bauern verhungern, als über so etwas wie Märkte, Ertrag und Einkommen nachzudenken. Und alles ist um vieles schwieriger geworden, seit mein Großvater versucht hat, das Townshend-System des Fruchtwechsels einzuführen und damit gescheitert ist.«

    »Funktioniert es inzwischen?«, fragte Alcy.
    »Die Ernten sind die besten seit Beginn der Aufzeichnungen«, antwortete Volynroskyj. »Aber Sie hätten die Bauern sehen sollen – ganz Severinor hat sich darüber gestritten, ob nun Hülsenfrüchte in den Porridge sollen oder der Mais in die Hirse.«
    »Kann ich mir vorstellen«, sagte Alcy. Ihr Vater war immer in furchterregender Stimmung nach Hause gekommen, wenn in einer seiner Fabriken eine neue Maschine installiert worden war. Die Arbeiter waren gegen jegliche Veränderung gewesen, wie sehr sie ihnen auch das Leben erleichtert hatte, und mussten langwierig davon überzeugt werden, dass das Neue genauso gut wie das Alte war. Um wie viel schwerfälliger musste eine so altertümliche Gesellschaft sein!
    Sie sah Volynroskyj verunsichert an und überlegte, ob sie ihren Ehemann mit der nächsten Frage in Verlegenheit bringen würde. Aber Herr Volynroskyj war hier der Verwalter, also wusste er wohl über Dumitrus Absichten und Motive Bescheid – und über seinen Geldmangel.
    »Brauchst du deshalb das Geld?«, fragte sie Dumitru fast verschüchtert. »Um die Modernisierung zu finanzieren?«
    »Dein Vermögen ermöglicht es mir, einen Kanal vom nördlichen Ende Severinors zur Èernß zu bauen, die in der Nähe von Orsova in die Donau fließt«, sagte Dumitru unumwunden. »Sobald der Kanal fertig ist, können wir unsere Erzeugnisse schnell und kostengünstig nach Wien verschiffen. Ich habe von einem erfahrenen Kanalbauer einen Plan erarbeiten lassen, aber ich hatte bis jetzt nicht die Mittel, den Aushub zu finanzieren. Bis der Kanal fertig ist,
müssen wir weiter Kamele benutzen.« Er zog eine Grimasse. »Im Süden werden sie schon seit Jahrhunderten eingesetzt, und sie sind gute Karawanentiere, besser als Maultiere, aber verglichen mit einem Kanal ist die Methode ineffizient.«
    »Das erklärt auch den unorthodoxen Transport meines Gepäcks!«, rief Alcy. »Ich habe mich schon gefragt, ob Kamele in dieser Gegend üblich sind. Und ich hätte nie gedacht, dass sie so dunkel und räudig sein können. Ich habe mich allerdings nicht getraut, weiter nachzufragen.«
    »Du sollst wissen, dass ich dich nicht leichten Herzens entführt habe«, sagte er feierlich. »Ich habe alles versucht, um das Kapital aufzutreiben, aber meine Autonomie wollte ich nicht aufgeben.«
    »Wäre das möglich gewesen?«, fragte Alcy zögerlich. Und als sie seinen Gesichtsausdruck sah, setzte sie hastig hinzu: »Nicht, dass du das solltest. Ich frage mich nur, wer – sozusagen – die Interessenten sind.«
    »Wer nicht?«, konterte er. »Für Russland, Österreich und natürlich die Türkei steht das meiste auf dem Spiel. Aber selbst Frankreich hätte gern einen kleinen Vasallenstaat in der Region. Vor vierhundert Jahren haben die osmanischen Türken einer Region, in der nach dem Zerfall des tausendjährigen Byzanz das Chaos regierte, so etwas wie Stabilität gebracht. Aber im Lauf der Zeit hat sich die Stabilität in Stagnation und Korruption verwandelt, und alles stirbt. Es hat immer Aufstände und Revolutionen gegeben und wird sie immer geben, aber keiner weiß, wann oder wo oder wie. Die Osmanen verlangen von ihren Bürokraten, dass sie dem moslemischen Glauben angehören, und selbst in den Gebieten der phanariotischen Griechen
gibt es nur noch wenige vornehme christliche Familien, die in der europäischen Türkei etwas zu sagen hätten und die den natürlichen Kristallisationspunkt für eine Revolte abgeben könnten. Somit ist es unmöglich vorherzusagen, welches serbische Bauerndorf oder welcher walachische Bojar sich zum Zentrum des Widerstands aufschwingen wird.«
    »Aber deine Familie ist doch vornehm«, sagte Alcy, die nicht wusste, wohin das alles führen sollte.
    Dumitru lächelte freudlos. »Daher die Spione und Diplomaten, von denen ich dir gestern erzählt habe. Wir haben es nur aufgrund einer glücklichen Fügung der Geographie geschafft, unser Land und unsere Köpfe zu behalten. Und weil wir praktisch genug veranlagt waren, immer demjenigen nach dem Mund zu reden, der

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