Nacht des Verfuehrers - Roman
erfreut auf den zögerlichen Vorschlag ihres Vaters eingegangen, ihr auf dem Kontinent einen Ehemann zu suchen.
Zusätzlich zu ihrer üblichen Beschäftigung hatte sie begonnen, mit Vater Alesce Walachisch zu lernen, und sie ergriff jede Gelegenheit, mit den Einheimischen zu üben, die anfangs ziemlich durcheinander gewesen waren, weil eine so feine Lady Schwierigkeiten hatte, um eine Tasse Tee zu bitten.
Dumitru kehrte immer zum Mittagessen zurück, das sie üblicherweise allein einnahmen, da Petro Volynroskyj genauso schnell, wie er aufgetaucht war, wieder verschwunden
war – auf Geschäftsreise, wie Dumitru sagte, ohne weitere Einzelheiten zu nennen. Alcy freute sich auf die entspannten Gespräche mit Dumitru, obwohl sie schnell festgestellt hatte, dass Dumitru ihren mathematischen Ambitionen gegenüber eher gleichgültig war, selbst wenn sein Interesse gelegentlich aufflammte. Stattdessen sprach sie über Philosophie, die Renovierung, den sonnigen Winkel im Burghof, in dem sie nächstes Jahr einen Rosengarten anlegen wollte, ihre Fortschritte in Walachisch und Celestes Geplänkel mit dem Kammerdiener. Und Dumitru redete von seinem Land und seinen Leuten, jenem Thema, das ihn über alles beschäftigte. Alcy lernte viel über Landwirtschaft, reisende Priester und die Lebensweise hier im Land. Nachdem sie herausgefunden hatte, dass die Bauern Analphabeten waren, plädierte sie unermüdlich für Schulen und überzeugte schließlich sogar Dumitru, dass es keine Verschwendung war, einem Bauernmädchen Lesen und Schreiben beizubringen.
Dumitru – so musste sie feststellen – war voller Widersprüche und Ungereimtheiten. Ein Produkt des Zusammenstoßes zweier ganz verschiedener Welten. Die eine war die altertümliche, halb orientalische Welt, in der er aufgewachsen war, mit ihrem ganz eigenen Wertesystem. Die andere fußte auf den Idealen der Moderne, der Aufklärung, dem Liberalismus und dem Fortschrittsglauben des Westens. Er schien beide Welten in separaten Kammern seines Hirns verwahrt zu haben, als müssten sie explodieren, wenn sie einander zu nahe kämen. Deswegen konnte er Alcys Unkonventionalität und ihre Gelehrtheit akzeptieren und zur gleichen Zeit behaupten, die Bauersfrauen bräuchten nicht mehr zu wissen, als zur Kindererziehung,
für Haus und Garten und fürs Ehebett notwendig sei. In jenen Momenten schluckte Alcy ihre Frustration hinunter und bemühte sich, noch vernünftiger, noch überzeugender zu sein und ihn langsam auf ihre Seite zu ziehen. Sie hatte einen besseren Ehemann und ein besseres Leben, als sie es verdient hatte, sagte sie sich. Natürlich war sie glücklich. Wie hätte es auch anders sein sollen?
Zweimal pro Woche empfingen sie Gäste. Als Erstes kam ein Bojaren-Ehepaar, offiziell, um die Frau ihres Grafen kennenzulernen, aber vermutlich wohl eher, um an der Tafel eines Edelmannes auf dessen Kosten zu speisen. Die beiden waren augenscheinlich arm, hätten sich jedoch lieber zu Tode gehungert, als auch nur ein Jota ihrer Adelsprivilegien oder ihres Lebensstils dranzugeben. Sie fuhren eine klapperige, heruntergekommene Kutsche, die von vier dürren, nicht zusammenpassenden Gäulen gezogen wurde; sie beschäftigten ein halbes Dutzend mürrischer Dienstboten, und die Kleider der Frau waren von Pariser Schnitt, aber aus schlechtem Stoff gefertigt. Sie hatten offenbar vor, so lange zu bleiben, wie man sie duldete, doch ihre anmaßende Großspurigkeit und der übertriebene Dünkel waren Alcy auf der Stelle unsympathisch. Da Dumitru die beiden schon immer ermüdend gefunden hatte, war er nur zu froh darüber, ihnen nach nur einer Übernachtung bedeuten zu können, sich besser wieder auf den Weg zu machen.
»Wenn sie auch nur die leiseste Ahnung gehabt hätten, dass mein Vater im Handelsgeschäft ist, hätten sie mir vermutlich ins Gesicht gespuckt«, sagte Alcy, nachdem sie abgefahren waren.
Dumitru lachte nur. »Nur weil ihr Sohn nicht mit jemandem
wie dir verheiratet ist, Liebes. Sie sind genauso konservativ, wie sie es verdient haben.«
Der zweite Besucher war um einiges interessanter, aber leider hatte Alcy nur kurz Gelegenheit, mit dem Mann zu sprechen, als Dumitru sie wortkarg und widerwillig vorstellte.
Am elften Tag ihrer Ehe – Dumitru und Alcy kamen gerade von ihrem nachmittäglichen Ausritt zurück – stießen sie auf dem Schlosshof auf einen Neuankömmling.
Dumitru erstarrte und machte ein finsteres Gesicht, als er den schwarzhaarigen Mann entdeckte, doch der staubige
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