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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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gingen davon.

    Dumitru setzte sich wieder, als die Tür ins Schloss fiel, doch sie flog sofort wieder auf, und zwei Hajduken befahlen ihm, aus dem Schuppen zu kommen. Er trat hinaus und stellte fest, dass sich auf dem freien Platz einiges getan hatte.
    In der Mitte brannte ein großes Feuer, über dem an einem Spieß ein riesiges Wildschwein briet. Bänke und Tische standen im Kreis herum. Raisin und Bey hatten einen Ehrenplatz in einer der Ecken bekommen – zusammen mit der restlichen Beute, die auf einer Decke zur Schau gestellt wurde. Nur ein kleiner Teil davon würde in Form von Geschenken, die der Hajduken-Anführer dem Knez machte, direkt an die Bauern gehen, während seine Männer Familienangehörige beschenkten, die sie vielleicht unter den Dörflern hatten. Aber über den Handel zwischen Bauern und Hajduken würde das meiste letztendlich ohnehin im Dorf landen – wie auch immer, es gab jedenfalls Grund zum Feiern.
    Dumitru sah, wie sich eine Gruppe Musikanten an einer Seite des Platzes sammelte, die Instrumente eine sonderbare Mischung aus Alt und Neu, Ost und West. Die Frauen brachten Krüge, aus denen es streng nach Alkohol roch. Zwei der Hajduken eskortierten ihn zu einer Bank ganz in der Nähe der Pferde, die allerdings, wie er enttäuscht feststellte, fest am Schweinepferch angebunden waren. Er wurde angewiesen, sich zu setzen, und er gehorchte, da er keine andere Möglichkeit sah. Sie fesselten ihm wieder die Handgelenke, diesmal zwar vorne, jedoch nicht lockerer als zuvor. Von den Revolutionären war nichts zu sehen.
    Genau in diesem Augenblick kam eine Gruppe Frauen aus dem größten Haus gelaufen, und Dumitru stockte der
Atem: Alcyone. Sie trug dieselbe Bauerntracht wie die anderen Frauen und hatte das verstümmelte Haar unter einem Kopftuch verbogen. Doch an ihr sahen die schlichten Gewänder wie eine königliche Robe aus. Die anderen Frauen lachten und redeten miteinander, während Alcy schweigend und gleichmütig in ihrer Mitte ging, das Gesicht so reglos wie ein stiller See.
    Sie sah auf und erheischte seinen Blick. Eine leichte Röte stieg ihr in die Wangen, bevor sie sich abwandte und mit den Augen den Boden zu ihren Füßen fixierte. Die Frauen schienen es nicht zu bemerken. Zumindest blieb ihr die Demütigung erspart, bei der Beute platziert zu werden. Die Frauen setzten sich mit Alcy auf ihre Seite des Feuers, und das Fest begann mit dem Getöse und Geschmetter der verschiedenen Instrumente.
    Die Frauen brachen in Gelächter aus. Die Jüngeren liefen auf den freien Platz zwischen dem Feuer und den Bänken, fassten einander an den Händen und bildeten eine zufällige Reihe. Sie tanzten mit einer Mischung aus Kraft und Koketterie, während die Matronen am Rand des Platzes klatschten und sangen und die Kinder sich an ihre Rockzipfel klammerten. Die Männer grinsten, behielten jedoch ihre tanzenden Töchter im Auge, damit sie keinen der jungen Männer zu sehr anlachten oder ihre Röcke beim Tanz zu hoch warfen und zu viel Bein zeigten.
    Das erste Lied war gerade zu Ende, als schon die nächste Weise begann. »Ein Männertanz!«, rief einer von den jungen Burschen, und die Männer – Hajduken wie Bauern – stürzten los, während die Frauen sich kichernd zu den anderen gesellten. Der Männertanz war ein Wettstreit und schiere Prahlerei. Sie hoben die Hände auf Schulterhöhe,
trampelten, scharrten und sprangen und stießen gemeinsam einige Schreie aus, wann immer die Sänger zu einer bestimmten Stelle des Refrains kamen.
    Dumitru konnte Alcy am Rand des Platzes sehen, wie sie mit großen Augen zusah. Der Anblick musste ihr wild und exotisch erscheinen, die Musik allzu orientalisch und der Tanz fremd und möglicherweise beängstigend. Doch trotz der Ablenkung ertappte er sie dabei, wie sie ihn anschaute, sobald sie glaubte, er bemerke es nicht, die Miene verschlossen und unergründlich.
    Nach ein paar Tänzen wurde das Wildschwein für fertig erklärt, und man trug dicke Laibe Gerstenbrot auf. Der Hajduken-Anführer stellte ihm eine Portion hin und bedankte sich für den plötzlichen Reichtum. Dumitru ignorierte die Bemerkung und aß, da er sonst ja nichts tun konnte.
    Als mit einem Mal ein fröhliches Gelächter ausbrach, hob er den Kopf und sah, dass ein halbes Dutzend Mädchen Alcy in die Reihe der Tänzerinnen zog. Sie protestierte schwach, doch die Musik hatte schon eingesetzt, und die Frauen neben ihr fingen an zu tanzen. Es blieb ihr also nichts anderes übrig, als es zu versuchen.

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