Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
Vom Netzwerk:
in das Nachtgewand, welches das Mädchen ihr gebracht hatte. Als Dumitru mit Waschen an der Reihe war, drehte sie eisern das Gesicht zur Wand und machte sich daran, mit den Fingern die Haare zu entwirren.

    Sie sprachen an diesem Abend nicht mehr miteinander, und am nächsten Morgen, als die Revolutionäre sie wieder zu den Pferden brachten, auch nicht. Das war auch gut so, denn Dumitru wusste ohnehin nicht, was er hätte sagen sollen.

Kapitel 16
    Es sollte fünf lange Tage dauern, bis sie in Belgrad ankamen. Ihre Häscher waren besser gekleidet als die Hajduken und neigten auch nicht zu Übermut und Obszönitäten, aber sie schienen trotz der guten Manieren und der englischen Anzüge nicht weniger gefährlich zu sein. Alcy hatte zehn Pistolen und acht verschiedene Klingen gezählt, und einer von ihnen hatte vier riesige Hunde dabei, die ihm nicht von der Seite wichen, Mastiffs oder eine ähnliche Rasse, Alcy wusste es nicht und wollte es lieber auch nicht wissen.
    Obwohl ihr Dumitru immer noch jeden Morgen und jeden Abend anbot, ihr mit dem Korsett behilflich zu sein – worauf Alcy sich auch einließ -, redeten sie kaum miteinander. Alcy zog es vor, sich möglichst in ihrer geistigen Welt aus Zahlen und Abstraktionen zu verlieren, um eine Weile alles um sich herum zu vergessen. Das erschien ihr erheblich besser, als sich um sich selbst und um Dumitru Gedanken zu machen. Je weiter sie vorankamen, desto besorgter sah Dumitru aus, und das typische Lachen in seinen Augen wich immer häufiger einem Schatten.
    Am sechsten Abend, nachdem sie das Dorf des Knez verlassen hatten, saßen sie nebeneinander an einem rauchenden, knisternden Lagerfeuer. Die Revolutionäre hatten
diesmal in der Nähe eines Dorfes Halt gemacht; alles an trockenem Windbruch war deshalb längst aufgesammelt. Sie hatten Alcy wie jeden Abend zum Holzsammeln geschickt – unbeaufsichtigt, denn ihre Häscher wussten genauso gut wie sie, dass sie nirgendwohin davonlaufen konnte; selbst wenn sie es versucht hätte, hätte sie zu Fuß keine Chance gehabt, und die Hunde hätten sie sofort gestellt. An diesem Abend war sie mit leeren Händen zurückgekehrt, sodass die Männer frische Äste von einer Kiefer schneiden mussten, um Essen kochen zu können. Das Holz brannte heiß, knackte und rauchte; es verlieh dem Hasen einen unangenehm harzigen Beigeschmack und trieb die Serben ein ganzes Stück weit zurück.
    Alcy sehnte sich in der bitterkalten Nacht nach Wärme. Sie ignorierte die Rauchwolke um das Feuer, kauerte sich dicht daneben zusammen und strich sich ständig die wild gelockten Haarspitzen aus den Augen. Dumitru war ebenfalls nicht zurückgewichen, und so saßen sie ungestört mitten in der Rauchwolke da, wie sie es seit Tagen nicht gewesen waren. Er schien die Wärme gar nicht zu brauchen, seine Miene war entrückt, als hätte er die Unbill, welche die Serben zum Husten und zum Rückzug gebracht hatte, gar nicht bemerkt.
    »Tut es dir leid, dass du ihnen die Zusammenarbeit verweigert hast?«, fragte Alcy. Er hatte ihr von dem Angebot und seiner Weigerung erzählt, und sie fragte sich, ob er es nicht bereute, sich nicht in Sicherheit gebracht zu haben.
    Er sah auf und blinzelte, als müsse er erst zu sich kommen. »Nein. Wenn ich da mitgemacht und der Prinz mich gefangen genommen hätte – und das hätte bestimmt nicht
lange gedauert, wenn ich über Land geritten wäre und die Revolution gepredigt hätte -, dann wäre das mein sicherer, qualvoller Tod gewesen.«
    »Und was wird er jetzt mit dir anstellen?«, bedrängte sie ihn. »Du predigst schließlich nichts.«
    »Ach, er wird versuchen, mich auf irgendeine andere Art zu seiner Marionette zu machen.« Er schenkte ihr ein schiefes Lächeln. »Sorge dich nicht. Ich habe nicht aufgegeben. Wir werden hier schon irgendwie herauskommen.«
    Alcy war eine Weile still, starrte ins Feuer und zitterte nicht nur vor Kälte. Das ist nicht gerecht, dachte sie, und zwar nicht zum ersten Mal. Es war nicht richtig. Das waren kindische, dumme Auseinandersetzungen. Wer, wenn nicht sie, wusste, wie ungerecht die Welt war, und dennoch hatte sie keine Ahnung, wie sie sich helfen sollte. »Ich wünschte, ich hätte Severinor auf einer anderen Route verlassen«, sagte sie.
    Dumitru neigte den Kopf und sah sie an. Ihr Atem stockte, ihre Mitte erwärmte sich vom vertrauten Gefühl der Lust. Mittlerweile umschattete ein kurzer schwarzer Bart sein Kinn und ließ seine blauen Augen noch heller wirken, außerdem waren seine

Weitere Kostenlose Bücher