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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Noir« war an einem regnerischen Tag aufgenommen worden und zeigte Paare unterschiedlicher Hautfarbe in einem mit Filmplakaten dekorierten Wohnzimmer. Arkadi interessierte sich besonders für die Inneneinrichtung, weil ihm klarwurde, daß er schon einmal in diesem Zimmer gewesen war. Bis hm zu den gestapelten Fotoalben, der Sammlung von Bronzeglöckchen und den nach Größe arrangierten Elfenbeinphalli erkannte er das Apartment von Mostowoi wieder, dem Amateurfotografen der russischen Botschaft. An der Wand zwischen den Postern hingen dieselben gerahmten Fotografien von Freunden in Paris und London, die ihm von einem Boot aus zuwinkten. Arkadi hielt das Band an. Er entdeckte ein Foto, das nicht an der Wand gehangen hatte, als er bei Mostowoi war, fünf Männer, deren Gesichter zu unscharf waren, um sie zu erkennen, die mit Gewehren um etwas knieten, das aussah wie ein totes Rhinozeros: ein Erinnerungsstück a la Hemingway, das der Mittelpunkt von Mostowois Sammlung gewesen war. Warum hatte er es versteckt?
    Jemand wollte die Tür aufschließen. Arkadi schaltete den Videorecorder aus und hörte, wie jemand versuchte, von außen einen Schlüssel in den Zylinder zu schieben, gefolgt vom leisen Fluch einer vertrauten Stimme.
    Arkadi konnte ihn förmlich denken hören. Der Sargento besaß wahrscheinlich den Schlüssel, den Arkadi Osorio gegeben hatte, und der paßte perfekt in das Schloß von Arkadis Wohnung in Moskau. Das wußte Luna nicht, er wußte nur, daß Schlüssel nicht plötzlich aufhörten zu funktionieren, so daß entweder das Schloß ausgetauscht worden war oder er den falschen Schlüssel hatte. Er würde seine Schlüssel erneut betrachten. Nein, dies war der Schlüssel, den die Kommissarin ihm gegeben hatte. Vielleicht hatte er ihn vorher nicht benutzen müssen. Nach seinem ersten Besuch hatte Arkadi die Tür einfach zugezogen, so daß man nur den Knauf hätte drehen müssen, um das Zimmer zu betreten. Irgend jemand hatte genau das getan, denn einige Gegenstände waren verschwunden, und bei Arkadis Rückkehr war die Tür verriegelt gewesen, obwohl man dafür nicht unbedingt einen Schlüssel brauchte, sondern nur einen Knopf gedrückt halten mußte. Vielleicht war dies also das erste Mal, daß Luna den Schlüssel ausprobierte.
    Arkadi wurde bewußt, daß das Gimnasio Atares inzwischen still war, der Lärm der Trillerpfeifen und Glocken war verstummt. Wenn Luna schon verärgert gewesen war, daß Arkadi sich bis zu dem Santero vorgewagt hatte, wie unglücklich würde er erst sein, wenn er ihn in Rufos Zimmer antraf?
    Die Tür wackelte, als sie von einer Faust getroffen wurde.
    Arkadi spürte, wie Luna das Schloß anstarrte. Schließlich hörte er sich entfernende Schritte, begleitet von einem Geräusch von Metall, das über Stein kratzte. Als Arkadi die Tür schließlich vorsichtig öffnete, war Luna schon ein ganzes Stück entfernt unter einer Laterne, deren Licht bräunlich schimmerte. Zwei Boxer in Trainingsanzügen schlurften schmerzgebeugt durch das Tor der Arena, gefolgt von einem Trainer, der sich mit einem Handtuch das Gesicht abwischte. Als sie Rufos Tür erreicht hatten, schlüpfte Arkadi vor ihnen aus dem Haus, so dicht vor ihnen, daß sein Schattem mit ihrem verschmolz. Im Schutz des Trios, das ganz auf seine eigenen Schmerzen konzentriert war, ging er bis zur Ecke, wo er stehenblieb und sich umdrehte.
    Luna kam zurück. Das metallische Geräusch war eine Karre mit Eisenrädern gewesen, die der Sargento vor Rufos Haus geschoben hatte. Er trug zivile Kleidung und hielt sich diesmal gar nicht erst mit einem Schlüssel auf, sondern rammte den Eispickel in das Schloß und stemmte sich mit der Schulter gegen die Tür, bis sie aufsprang. Luna wußte offenbar genau, was er suchte, denn er schleppte Fernseher, Videorecorder und die Kartons mit Joggingschuhen zu der Karre und rollte seine Ladung unter in der ganzen Straße widerhallendem Geschepper davon. Wegen des Lärms und weil er nur langsam vorankam, war Luna leicht zu verfolgen.
    Der Sargento schaffte es, immer verlassenere und verfallenere Straßen zu finden. Er mußte seinen Karren um große Geröllhaufen steuern, die Havanna aussehen ließen wie ein Erdbebengebiet. Einige der Lagerhäuser waren schon vor so langer Zeit eingestürzt, daß aus ihren Fenstern Palmen wuchsen. Die beiden Männer legten etwa zehn Blocks zurück, bevor Luna an der bisher dunkelsten Ecke des Weges haltmachte und die Karre stehenließ, um ein Brett über die Eingangstreppe

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