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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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ihr kam nur ein berühmtes Schlaflied von Merceditas in den Sinn. Es hieß »Drume Negrita«: »Schlaf ein, mein kleines schwarzes Mädchen, schlaf ein. Wenn du schläfst, bring’ ich dir eine neue Wiege, und ich bring’ dir ein neues Glöckchen. Du bist mein Liebling, meine Perle, mein geliebtes Mädchen, drum weine nicht mehr.« Und seltsamerweise hörte sie in ihrem Kopf die Stimme ihrer Mutter singen.
     
    Als Arkadi seine Gedanken in das Dunkel über dem Bett schweifen ließ, erinnerte ihn der Schein der Deckenlampe an Rufos geflochtenen Strohhut, made in Panama, mit Rufos goldenen Initialen auf dem Schweißband. Das hatte Arkadi damals nichts gesagt, weil er es noch nicht mit der AzuPanama S. A. in Verbindung gebracht hatte. Jetzt fragte er sich, was er in Rufos Zimmer noch alles gesehen und nicht verstanden hatte. Die Tatsache, daß weder Luna noch Osorio gekommen waren, um sich Rufos Schlüssel aushändigen zu lassen, ließ vermuten, daß sie seither nicht in seiner Wohnung gewesen waren.
     
    Würde Luna noch warten, oder würde er kommen? Da die Chancen fünfzig zu fünfzig standen, zog Arkadi seinen Mantel an, seinen schützenden Schatten, und ging auf die Straße hinunter. Er lief bis zur nächsten Straßenecke und hielt ein Auto an. Er wußte Rufos Adresse nicht mehr, doch er erinnerte sich noch an die verblaßte Inschrift auf der Wand neben der Haustür und fragte nach dem Gimnasio Atares.
    »Tegustan lospugilistas?« Der Fahrer deutete einen Fausthieb in die Luft an.
    »Genau«, sagte Arkadi ohne die leisteste Ahnung, was der Fahrer meinen könnte.
     
    Faustkämpfer. Die unüberdachte Boxarena neben Rufos Haus war zum Leben erwacht, und über die Köpfe einer Menschenschlange hinweg, die sich durch das Tor drängte, sah Arkadi einen Boxring, der von herabhängenden Deckenscheinwerfern beleuchtet wurde. Unter einer dicken Schicht aus Qualm und einem Kaleidoskop einheimischer Insekten johlten Zuschauer, bliesen auf Trillerpfeifen und läuteten mit Kuhglocken. Offenbar befand man sich in einer Pause zwischen zwei Runden, zwei schweißglänzende Boxer saßen in gegenüberliegenden Ecken auf Hockern, während ihre Trainer heftig auf sie einredeten. Als der Gong die nächste Runde einläutete und sich alle Augen zur Mitte des Rings wandten, schloß Arkadi Rufos Haustür auf und schlüpfte hinein.
    Seit seinem ersten Besuch hatte es einige Veränderungen gegeben. Bett, Tisch und Waschbecken standen an Ort und Stelle. Rufos Hut hing noch an seinem Haken, die Fotos der Boxmannschaft bevölkerten noch immer die Wände, und neben dem Sofa prangte nach wie vor die für einen Mann ohne Telefon eigenartige Liste mit Nummern. Fernseher und Videorecorder waren ebensowenig verschwunden wie die Kartons mit Joggingschuhen und die Zigarren, aber die Minibar war weg.
    Mit einem besonderen Auge auf Souvenirs aus Panama durchsuchte Arkadi erneut Kleiderschrank und Schubladen, Schuhkartons und Zigarrenkisten. Das Rogaine stammte aus einer panamaischen Apotheke, ein Bierdeckel aus einem Club in Panama City, doch ansonsten fand er nichts von Bedeutung.
    Arkadi hielt es durchaus für möglich, daß ein Mann, der einen Besuch zum Eiffelturm festgehalten, vielleicht auch seine Reise nach Panama auf Video gebannt hatte. Er machte den Fernseher an, schob eine Kassette in den Videorecorder und schaltete sofort den völlig überdrehten spanischen Kommentar leiser, der zwei Boxer begleitete, die sich in einem Ring unter ihren Nationalflaggen gegenseitig verprügelten. Das Band hatte die fleckigen Farben eines alten ostdeutschen Films und die Sprunghaftigkeit von zuwenig Bildern pro Sekunde, doch er konnte einen jungen Rufo sehen, der auf seinen Gegner eindrosch, bis der Ringrichter seinen Handschuh packte und in die Höhe reckte. Im nächsten Kampf trat Mongo an, und Arkadi erkannte, daß Boxer im Grunde Trommler waren, jeder versuchte seinen Rhythmus als den Takt vorzugeben: Ich bin der Trommler, und du bist die Trommel. Ein Dutzend anderer Kassetten zeigten internationale Turniere, andere waren Lehrfilme, die einem beibrachten, wie man korrekt mit dem Seil trainierte, einen Sandsack bearbeitete und sich bewegte, ohne zu Boden zu gehen.
    Die anderen Kassetten hatten Hochglanzetiketten mit pornographischen Bildern und Titeln in verschiedenen Sprachen. Eine Reihe von französischen Filmen war in Havanna gedreht worden und zeigte Paare, die es auf verlassenen Stranden trieben. Er erkannte niemanden. Ein Band mit dem Titel »Sucre

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