Nacht in Havanna
Sie schaltete den Monitor ein, und das Bild eines stämmigen Sergej Pribluda am Strand erschien auf dem Bildschirm. »Noch nicht«, sagte Blas, als er, sich die Hände mit einem Papierhandtuch abtrocknend, das Zimmer betrat. »Keine Vorstellung, bis wir unseren anderen Russen gefunden haben. Criminalista, ich verstehe durchaus, daß Sie für einen ganz bestimmten Dienst so gekleidet sind, aber ich muß Ihnen gratulieren. Sie wirken absolut überzeugend.« Sie trug ihre weiße Jinetera-Ausstattung. Blas warf das Handtuch in den Papierkorb und strich langsam über ihre Unterarme, als würde er eine Untersuchung durchführen. »Unwiderstehlich.«
»Ich habe etwas für Sie«, sagte sie.
An wen hätte sich Ofelia sonst wenden sollen? Er war verständnisvoll und kultiviert und hatte Verbindungen ins Innenministerium, zur Armee und zur PNR, die weit über die Ebene von Capitán Arcos und Sargento Luna hinausreichten. »Ein Geschenk?«
»Nicht direkt.« Sie nahm den in Zeitung eingewickelten Kopf aus ihrer Tasche und stellte ihn vor den Bildschirm. »Nun, ich bin stets interessiert.« Blas entfernte die Zeitungen und entblößte Changös obsidiandunklen Blick. Die gespannte Erwartung des Arztes verflog. »Was soll das? Sie sollten doch wissen, daß mein Interesse an Santeria rein wissenschaftlicher Natur ist.«
»Aber dies ist der Kopf der Puppe, die sich in Pribludas Wohnung befand. Später wurde sie zusammen mit Waren für den Schwarzmarkt in einem Gebäude bei den Docks gefunden.«
»Und? Ich habe in diesem Land schon Hunderte solcher Köpfe gesehen.«
Ofelia zog das Klebeband ab, das die beiden Kopfhälften zusammenhielt. »Sehen Sie selbst.«
Als Blas das Gesicht der Puppe abzog, wurde sein eigenes weißer, als es gewöhnlich war. » Cono.«
»Fünf Ladungen achtzigprozentigen Dynamits. Made in USA, aber wir bekommen es ständig via Panama für Sprengungen beim Haus- und Straßenbau. Es gab auch einen Empfänger und eine Zündkapsel, die ich jedoch bereits entfernt habe. Dies ist eine Bombe.«
»Das war in Pribludas Wohnung?«
»Von dort wurde sie meiner Ansicht nach von Sargento Luna weggeschafft, der auch Pribludas Wagen genommen und in dem verlassenen Lagerhaus, in dem auch die Puppe gefunden wurde, abgestellt hat.«
Vieles mußte Ofelia gar nicht erwähnen. In den letzten Jahren hatten Reaktionäre aus Miami in diversen Hotels und Discos Brandbomben gezündet, nur um Terror zu verbreiten. Und dann gab es immer noch das Ziel der Ziele, dessen Namen zu nennen Ofelia nicht wagte: den Mäximo Lider, der seit vierzig Jahren Bomben, Kugeln und Zyanidkapseln entkommen war. »Dies ist eine sehr ernste Angelegenheit. Weiß der Sargento, daß Sie im Besitz der Bombe sind?«
»Ja, er hat versucht, mich aufzuhalten. Das war vor zwei Tagen. Ich habe erst gestern abend herausgefunden, daß es eine Bombe ist. Auf dem Kopf selbst befinden sich offenbar keine Fingerabdrücke, aber vielleicht kann man an den Dynamitstangen noch welche sichern.«
»Überlassen Sie das mir. Sie hätten sofort zu mir kommen sollen. Wenn ich an die arme Hedy denke und dann an Sie.« Blas legte die Maske aus der Hand, um sich die Hände an seinem Laborkittel abzuwischen. »Sie wirken so gelassen. Haben Sie den Empfänger und die Zündkapsel?«
»Ja.« Sie zog sie, in Zeitungspapier eingewickelt, aus ihrer Tasche.
»Es ist besser, wenn ich die komplette Anlage habe. Wer weiß sonst noch von der Sache?«
»Niemand.« Sie hatte vor, Arkadi so lange wie möglich unerwähnt zu lassen. Ein Russe und eine Bombe, wie würde das aussehen? Vor allem mit den Attentatsdateien, die er auf Pribludas Computer entdeckt hatte, würde es alles durcheinanderbringen. Auf dem Kopf würde man schon deshalb keine Fingerabdrücke finden, weil sie sie abgewischt hatte. »Aber wir müssen davon ausgehen, daß auf Lunas Seite weitere Personen in die Sache verwickelt sind.«
»Eine Verschwörung im Innenministerium? Sargento Luna ist ein Niemand, das könnte sehr viel höher reichen. Kein Wunder, daß er und Capitán Arcos eine Ermittlung verweigert haben. Sie bekommen ihre Befehle von einer dritten Person. Die Frage ist nur, von wem? Wer hat sie beauftragt? Wen soll ich anrufen?«
»Sie werden helfen?«
»Gott sei Dank, daß Sie zu mir gekommen sind. Ich habe es immer gesagt, Criminalista, Sie sind ein Juwel. Wollten Sie noch irgendwohin?«
»Zu der Wohnung, in der Rufo gestorben ist.« Sie wollte nicht sagen, zu der Wohnung, in der Arkadi ihn getötet hatte,
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