Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
Vom Netzwerk:
nicht zu sagen. Doch die oberste CD auf dem Stapel war eine andere als vorher, und die Schwimmflossen, die an einem Haken an der Wand gehangen hatten, sowie der große Lkw-Reifenschlauch über dem Bett waren verschwunden. Arkadi trat wieder ans Fenster und sah drei jeweils etwa fünfhundert Meter voneinander entfernte Gruppen von neumäticos unermüdlich paddeln.
    Er ging wieder auf die Straße hinunter und marschierte einen Block in westlicher Richtung, bis er ein Cafe mit Betontischen im Schatten einer Wand erreichte, auf der die Inschrift »Siempre.« prangte. Siempre irgendwas, weil eine Bougainvillea Wurzeln geschlagen und den Rest der Parole rot überwuchert hatte. Arkadi hätte es nicht gewundert, wenn Mongo aufs Wasser geflüchtet wäre. Schließlich war er Fischer. Wahrscheinlich hatte man ihm geraten, sich von Erasmos Werkstatt fernzuhalten, solange sich ein russischer Ermittler in der Wohnung darüber befand. Wo konnte man sich besser verstecken als auf dem Wasser? Wenn er mit seinem Reifen in See gestochen war, mußte er früher oder später auch wieder landen, und zwar irgendwo zwischen der Avenida Primera in Miramar und dem Malecon, einem Gebiet, das Arkadi unmöglich allein im Auge behalten konnte. Doch dann fiel ihm ein, daß ein Mann mit einem Reifenschlauch vor allem Luft brauchte, was seine Chancen, Mongo aufzustöbern, deutlich verbessern könnte. Von seinem Tisch hatte er eine Tankstelle mit zwei Zapfsäulen unter einem modernistisch gestalteten Dach mit vormals blauen Finnen im Blick, die inzwischen die gebrochene weiße Farbe einer Muschel angenommen hatten. Es war eine der Tankstellen, die auf seinem Texaco-Stadtplan verzeichnet war. Neben dem Büro befanden sich ein Wasserhahn und ein Schlauch zum Luftnachfüllen.
    Den ganzen Nachmittag kamen und fuhren Autos, manche schleppten sich wie Lungenfische bis zu den Zapfsäulen, um anschließend wieder davonzukriechen. Die neumäticos mußten sich mit dem Hund des Tankstellenbesitzers auseinandersetzen, der offenbar einige von ihnen akzeptierte, während er andere verjagte. Arkadi nippte sich durch drei Tropicolas und drei Cafe Cubano und trommelte innerlich ungeduldig mit den Fingern, unsichtbar im Schatten seines Mantels. Schließlich näherte sich ein schlanker, asphaltschwarzer Mann mit einem Reifenschlauch, dem gerade die Luft ausging. Er warf dem Hund einen Fisch hin, ging ins Büro und kam wenig später mit einem Flicken wieder heraus, den er auf den Schlauch klebte. Als der Kleber getrocknet war, ließ er Luft ein, um sein Werk zu testen. Er trug eine grüne Mütze, offene Joggingschuhe und die Art Lumpen, die ein vernünftiger Mann anziehen würde, wenn er vorhatte, in der Bucht zu treiben. Er balancierte den Reifen mit Netz, Ruten und Spulen auf seinem Kopf, hängte sich die Schwimmflossen über eine Schulter und eine Schnur mit in allen Regenbogenfarben schillernden Fischen über die andere. Als er Arkadi die Kreuzung überqueren sah, suchten die vom Salz geröteten und brennenden Augen des neumätico einen Ausweg. Hätte er nicht den Reifenschlauch und seinen Tagesfang zu tragen gehabt, wäre er einem in einen Mantel gehüllten Mann leicht entkommen.
    »Ramon >Mongo< Barthelmy?« fragte Arkadi. Er hatte den Eindruck, daß er langsam ein Gefühl für die spanische Sprache bekam. »Nein.«
    »Ich glaube doch.« Arkadi zeigte Mongo das Foto, auf dem er Erasmo und Pribluda stolz einen Fisch zeigte. »Ich weiß auch, daß Sie russisch sprechen«, vermutete er aufs Geratewohl. »Ein bißchen.«
    »Sie zu finden, ist gar nicht so leicht. Trinken Sie einen Kaffee mit mir?«
    Der »Wendige Mongo« nahm ein Bier. Schweißtropfen bedeckten sein Gesicht und seine Brust wie Kristalle. Das Netz mit Fischen lag neben ihm auf der Bank.
    »Ich habe Sie auf einem Video boxen sehen«, sagte Arkadi.
    »Habe ich gewonnen?«
    »Bei Ihnen sah es so leicht aus.«
    »Ich konnte mich schon bewegen, wissen Sie. Ich konnte mit jedem mithalten, ich mochte es einfach nicht, getroffen zu werden«, sagte Mongo, obwohl seine Nase so schief war, daß es ihn wohl doch ein paarmal erwischt haben mußte. »Als ich aus der Mannschaft geflogen bin, wurde ich in die Armee eingezogen, und, oye, plötzlich war ich mit Russen in Afrika. Die Russen können Afrikaner und Kubaner nicht auseinanderhalten. Da lernt man verdammt schnell Russisch.« Mongo grinste. »Als erstes: >Nicht schießen, ihr Arschlöcher!<«
    »Angola?«
    »Äthiopien.«
    »Sprengstofftrupp.«
    »Nein, ich habe

Weitere Kostenlose Bücher