Nacht in Havanna
nichts zu finden. Die Russen lassen die Wohnung oft wochenlang leerstehen. Gott sei Dank.«
Als Ofelia die Treppe wieder hinunterging, strich sie mit der Hand über die Setzstufen. Als sie wieder aus dem Haus trat, hatte sie nichts außer schmutzigen Händen.
»Ich habe es Ihnen ja gesagt«, meinte die Frau.
»Sie hatten recht.« Die Frau begann Ofelia an ihre Mutter zu erinnern.
»Sie sind schon die zweite.«
»Ach? Wer war denn noch hier?«
»Ein großer Neger aus dem Innenministerium. Wirklich schwarz. Er hat überall nachgesehen. Er hatte auch ein Handy. Er hat eine Nummer gewählt und gar nichts gesagt, sondern nur gehorcht, aber nicht auf sein Telefon, verstehen Sie?«
Natürlich, dachte Ofelia, weil Luna Rufos Nummer gewählt und versucht hatte, das Klingeln zu hören. Das war das Problem, wenn man ein Handy versteckte, früher oder später würde jemand anrufen, und das Telefon würde sich selbst verraten.
»Hat er irgendwas gefunden?«
»Nein. Arbeiten Sie denn nicht zusammen? Mit euch ist es wie mit allem anderen in diesem Land. Alles muß zweimal gemacht werden, no?«
Ofelia trat auf die Straße hinaus. Es war ein Block mit alten, durch die Revolution umgewandelten Stadthäusern, dem Idealismus waren Ermüdung und der Mangel an Farbe und Putz gefolgt. Ein Vorgarten war ein Parkplatz für Fahrräder, ein anderer ein Open-air-Schönheitssalon.
Sie versuchte eine Rekonstruktion der Fakten und stellte sich dieselbe Straße bei Nacht vor. Arkadi war oben, Rufo unten in seinem frisch übergestreiften Jogginganzug. Er mußte improvisieren, weil niemand mit der Ankunft eines russischen Ermittlers gerechnet hatte. Vielleicht mußte er noch einen letzten Anruf tätigen, bevor er mit der Absicht, den Russen zu erledigen, das Haus betreten hatte und die Treppe hinaufgestiegen war. Wo zwischen diesen beiden Straßenecken war der beste Ort, sein ach so kostbares Handy für ein paar Minuten zu deponieren?
Ofelia erinnerte sich an Maria, den Streifenwagen und Rufos Zigarren und ging zu dem Vorgarten zurück. »Wem gehört der Wagen?«
»Meinem Mann. Er wollte nur ein paar neue Fensterscheiben dafür besorgen, und das nächste, was ich von ihm hör’, ist ein Brief aus Miami. Ich behalte den Wagen, bis er zurückkommt.«
»Chevrolet?«
»Ein 57er, der beste Jahrgang. Manchmal habe ich mich reingesetzt und mir vorgestellt, Ruperto und ich würden an die Playa del Este fahren, eine kleine Spritztour an den Strand.«
»Autoscheiben sind schwer zu bekommen.«
»Autoscheiben sind unmöglich zu bekommen.«
Das Polster war eher ein Rattennest als ein Sitz. Ofelia nahm ein Paar Gummihandschuhe aus der Tasche. »Darf ich?«
»Was?«
Mit Handschuhen griff Ofelia durch das offene Fenster und machte das Handschuhfach auf. Es enthielt eine Zigarrenkiste aus Holz mit einem aufgebrochenen Montecristo-Siegel mit den gekreuzten Schwertern. Ofelia setzte sich auf den Beifahrersitz. In der Kiste befanden sich zehn Zigarrenröhrchen aus Aluminium und ein Handy, das nicht auf klingeln, sondern auf vibration eingestellt war. Ofelia hörte ein Klicken, blickte auf und sah durch das Wagenfenster einen Mann, der sie vom Bürgersteig aus fotografierte. Er war groß, mittleren Alters und trug eine Kameratasche über der Schulter und die Art Weste, die alle Fotografen auf der Welt anhatten, das Ganze gekrönt von einer Baskenmütze. »Es tut mir leid«, sagte er. »Sie sahen einfach zu schön aus in diesem alten Wrack. Haben Sie etwas dagegen? Die meisten Frauen haben nichts dagegen, wenn ich sie fotografiere, im Gegenteil, es gefällt ihnen sogar. Das Licht ist grauenhaft, aber Sie sahen einfach perfekt aus. Wie war’s, können wir uns ein wenig unterhalten?«
Ofelia verstaute das Telefon in der Zigarrenkiste, die sie zusammen mit den Handschuhen in ihre Tasche steckte, bevor sie ausstieg. »Worüber?«
»Über das Leben, die Liebe, über alles.« Trotz seiner Größe kam er demonstrativ schüchtern durch das Tor. Er sprach fließend Spanisch mit einem russischen Akzent. »Arkadi schickt mich. Ich bin trotzdem ein großer Bewunderer kubanischer Frauen.«
Diesmal steckte Arkadi im Sierra Maestra nichts in Brand und klopfte auch nicht an Mostowois Tür. Statt dessen schob er sofort die Kreditkarte hinter den Schnapper und warf sich mit einem derart lauten Grunzen gegen die Tür, daß es einem ihn beobachtendem Kind den Atem verschlug. In der Wohnung vergewisserte Arkadi sich, daß »der beste Sprengstofftrupp in Afrika«
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