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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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des Apartments gegen die gesammelten Werke Fidels an der gegenüberliegenden Wand und drückte Arkadi mit dem Unterarm an dessen Hals gegen den Schrank. Rufo mochte groß sein, doch er war flinker und leichtfüßiger, als Arkadi erwartet hätte. Er hielt sein Gegenüber mit einem Arm fest und riß den anderen hoch, bis Arkadi begriff, daß sein Mantel mit einem Messer an den Schrank genagelt war, das Rufo für einen zweiten Stoß herauszuziehen versuchte. Arkadis flatternder offener Mantel hatte ihn in die Irre geführt. Rufos anderes Problem war die Spritze, die neben seinem linken Ohr hervorragte, was bedeutete, daß sich die lange Stahlnadel in sein Gehirn gebohrt hatte. Arkadi hatte reflexartig zurückgeschlagen, weil der Angriff so plötzlich erfolgt war. Langsam erregte der Fremdkörper an seinem Kopf die Aufmerksamkeit des Kubaners, seine Augen wanderten nach links, wo er aus ihrem äußersten Winkel den Kolben ausmachen konnte, bevor er verdutzt wieder Arkadi ansah. Rufo machte einen Schritt zurück, um die Spritze zu packen, wie ein Bär, der von einer Biene gepeinigt wurde. Er verdrehte den Kopf und taumelte im Kreis, neigte sich weiter und weiter zur einen Seite, bis er zuletzt auf ein Knie sank. Er stützte sich mit dem anderen Fuß ab und kniff die Augen zusammen, bis er die Nadel schließlich herausgezogen hatte. Unter Tränen blinzelte er auf die lange rote Hohlnadel und blickte fragend auf.
    »Du hättest bloß warten müssen«, sagte Arkadi. Rufo rollte auf den Rücken, die Augen nach wie vor auf die Spritze gerichtet, als würde sie seinen letzten Gedanken enthalten.
     
    3
     
    Nicht, daß sie es Renko erzählen würde, aber Ofelia Osorio hatte einmal auf einem Fabrikschiff gearbeitet, das von den Russen gebaut und komplett mit russischen Beratern geliefert worden war, so daß sie nicht nur geübt im Umgang mit anmaßenden »Großen Brüdern« war, sondern auch durchaus versiert darin, sie, wenn es sein mußte, mit einem Anglermesser abzuwehren. Als noch idealistische Junge Pionierin hatte sie als Delegierte an dem Weltjugendfestival in Moskau teilgenommen und Lenins Grabmal, die Lumumba-Universität und die U-Bahn besichtigt. Sie erinnerte sich noch daran, wie die Fahrgäste beim Anblick einer Schwarzen die Gesichter verzogen hatten. Kubaner berührten nur ihre Unterarme, wenn sie dunkelhäutigen Menschen begegneten, doch die Russen wichen zurück wie vor einer Schlange. Zumindest zu Hause. Auf See waren sie durchaus zu Experimenten bereit. Und es waren nicht nur die Russen. Vietnamesische Ermittler kamen nach Havanna, und Ofelia bildete sowohl Männer als auch Frauen aus. Als sie Hanoi besuchte, stellte sie fest, daß ihre besten weiblichen Schüler zum Tippen abgestellt worden waren und daß nach dem Abendessen der internationalen Solidarität die Teller, die Ofelia benutzt hatte, zweimal abgewaschen wurden.
     
    Es war interessant, wie europäische und asiatische Männer bei der Begegnung mit kubanischen Mädchen in Kuba zu Vielfraßen in einem Süßigkeitenladen wurden. Gewöhnliche anständige Männer verwandelten sich in Tiere, sobald sie in Kuba gelandet waren. Gab es Schutz? Cartoons auf den Straßen warnten die Mädchen vor Touristen ohne Kondome. Es gab Sittendezernate, die für gewöhnlich von Kommissaren geführt wurden, die selbst ihre eigene Truppe von jineteras laufen hatten. Jinetera war ein großartiges Wort. Ursprünglich bedeutete es Reiterin und bezeichnete im speziellen ein Mädchen, das auf einem galoppierenden Schwein saß. Zusätzlich zu ihrem Arbeitspensum bei der Mordkommission hatte Ofelia mit lustloser offizieller Unterstützung eine eigene Einheit gegen Korruption innerhalb der Polizei zusammengestellt. Für den Besuch eines russischen Ermittlers, die schlimmste aller möglichen Kombinationen, war sie in jeder Hinsicht gewappnet.
    Sie lebte in einem solar, einem Komplex von Einzimmerwohnungen, der wegen seiner Neigung, die Hitze des Tages zu speichern, durchaus treffend benannt war. Trotz der späten Stunde lagen Muriel und Marisol, ihre beiden Töchter, träge auf dem kühlen Boden und verfolgten gebannt eine Fernsehsendung über Delphine. Die Mädchen waren acht und neun, und der blaue Schimmer des Fernsehers bedeckte sie bis zum Kinn wie eine Decke. Ihre Mutter lehnte im Schaukelstuhl und tat, als würde sie schlafen, ein stummer Tadel dafür, daß Ofelia so spät nach Hause kam, daß Reis und Bohnen auf dem Herd angebrannt waren. Doch dieses Spiel konnte man auch

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