Nacht in Havanna
sich vor, als das arme Schwein aus dem Flugzeug steigt, erwartet ihn Fidel an der Gangway. Und in derselben Nacht setzt die Botschaft in Moskau Senora Lindo und die zweijährige Isabel in ein weiteres Flugzeug nach Havanna.«
»Fidel hat es gewußt?«
»Von Anfang an. Er ließ die Verschwörer gewähren, um zu sehen, wer sich ihnen anschließen würde. Das ist einer der Gründe, warum der Commandante so lange überlebt hat.«
»Was geschah mit Isabel?«
»Ihre Mutter wurde verrückt und fiel unter einen Bus. Isabel wurde unter einem anderen Namen von ihrer Tante erzogen, was der einzige Grund ist, warum sie überhaupt für die Ballettschule ausgewählt wurde. Das kubanische Ballett ist wie der kubanische Sport ein Wunder, bis man herausfindet, wie es gemacht wird. Sie suchen das ganze Land nach vielversprechenden Talenten ab, und sie war schon mit zwölf ein Star. Können Sie sich die Aufregung vorstellen, als herauskam, daß es sich um Lazaro Lindos kleine Tochter handelte? Jetzt zeigen sie auf sie und sagen: >Seht ihr, wir lassen die Kinder unserer Feinde in die Gesellschaft zurückkehren.< Doch sie werden nicht erlauben, daß der Name Isabel Lindo ganz oben steht, sie werden sie nie zur Primaballerina machen, und sie werden sie nie auf Tournee gehen lassen.«
»Lebt ihr Vater noch?«
»Er ist im Gefängnis gestorben. Jemand hat ihm einen Stein auf den Kopf fallen lassen. Was ich sagen will, ist, daß die Nachricht, die Isabel aus Moskau erwartet, keine gewöhnliche Nachricht ist und daß es dem Boten leid tun könnte, dazu beigetragen zu haben, Staub aufzuwirbeln. Das wird sie Ihnen nicht erzählen, aber ich tue es.«
»Sehr freundlich.«
»Ich weiß, daß sie schwierig ist. Sie könnten ihr helfen.«
»Wie kann ich das?«
»Indem Sie ihr keine allzu großen Hoffnungen machen.«
»Hat Pribluda ihr Hoffnungen gemacht?«
»Sergej wollte für mich arbeiten.«
»Als Fahrer?«
»Nein, Security.«
»Welche Sicherheit kann Ihnen denn ein Russe auf Kuba bieten? Ist die russische Mafia auch schon hier?«
»Ganz in der Nähe. In Antigua, auf den Caymans, in Miami. Aber nicht in Havanna, noch nicht. Eigentlich mache ich mir mehr Sorgen wegen Luna. Haben Sie den Sargento heute schon gesehen?«
»Noch nicht. Aber Luna meinte, wir würden uns wiedersehen, und ich glaube nicht, daß er ein Mann leerer Drohungen ist. Ich bezweifle, daß der Sargento überhaupt weiß, was eine leere Drohung ist.«
Walls ging zur Beifahrertür und öffnete das Handschuhfach. Darin lag ein riesiger, in Sämischleder gewickelter Colt. »Ein 45er Colt Combat Commander, ein Klassiker, Fidels Lieblingswaffe. Luna war nützlich. Er hat viele interessante Verbindungen. Aber Sie haben ja gestern abend gesehen, wie er manchmal einfach außer Kontrolle gerät. Ich muß mich von ihm trennen, und das würde mir leichterfallen, wenn mir jemand den Rücken freihält. Vielleicht wären Sie interessiert.«
Arkadi mußte lächeln. In letzter Zeit hatte ihn nicht viel amüsiert, aber dieses Angebot belustigte ihn. »Im Moment habe ich alle Hände voll zu tun, meinen eigenen Rücken freizuhalten.«
»So sehen Sie aber nicht aus. Sie strahlen so eine unterkühlt-lässige Leck-mich-am-Arsch-Haltung aus. Sie könnten sich auch um allgemeine Sicherheitsfragen kümmern.«
»Ich spreche kein Spanisch.«
»Das würden Sie lernen.«
»Eigentlich ist mir eine ungefährlichere Arbeit lieber.«
»Der Job ist absolut ungefährlich. Die Wahrheit ist, Arkadi, ich werde in diesem tropischen Paradies nur geduldet. Es gibt Leute, die jede Gelegenheit ergreifen, jede Schwierigkeit ausnutzen würden, um zu sagen: >George Washington Walls kann uns mal, der Mann ist von gestern, wenn die Amerikaner ihn immer noch haben wollen, schickt ihn zurück.< In meiner Situation gilt die Devise, je stiller, desto besser.«
»Nun, das ist wirklich sehr interessant, aber ich bin nur für ein paar Tage in Kuba.«
»Das behaupten die Leute immer. Sie sagen, sie sind nur auf der Durchreise, aber Sie wären überrascht, wie viele am Ende hier hängenbleiben. Wenn jemand um die halbe Welt an einen Ort wie Havanna kommt, ist das kein reiner Zufall. Es gibt immer einen Grund.«
12
Arkadi erwartete, daß Luna sich jeden Moment von einem Straßenschild herabhangeln oder aus einem Kanalschacht klettern würde, um sein Versprechen wahrzumachen, ihm »den Arsch aufzureißen«. Das lag dicht bei Ermorden, aber es war nicht das gleiche. Es hatte eine zusätzliche sexuelle
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