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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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der Entwurf für die eigentliche Nachricht war, die über die verschlüsselte Maschine in der Botschaft geschickt werden sollte.
     
    [email protected]/IntelWeb/rn Mon Oct 11996 Serkow,
    der chinesische Kontakt hat Früchte getragen. Du wirst sehen, daß der Fuchs errötet ist! Ein Fuchs und ein Wolf! Pribluda.
     
    Was für ein Wortschmied. Pribluda war offensichtlich im Siegestaumel gewesen. »Erfolg!« war alles, was ein Agent zu vermelden hatte. Der »chinesische Kontakt« war auch schon fast ein bißchen dick aufgetragen, zumal Arkadi kein Teil von China bekannt war, der unmittelbar an Havanna grenzte.
    Laut einer Tabelle waren Pribludas Finanzen streng geregelt, ein fester monatlicher Betrag für Nahrung, Wäsche, persönliche Dinge, Benzin und Autoreparaturen. Die einzig unerklärliche Ausgabe waren hundert Dollar, die jeden Mittwoch gezahlt wurden. Wenn es um Sex ging, hätte Pribluda es versteckt, dachte Arkadi; als ungewendeter Kommunist hatte der Oberst zwar eine schiefe, aber eiserne Moral. Nein, die Zahlung konnte für seinen chinesischen Kontakt sein. Oder für Karatestunden. Laut der kleinen Carmen hatte Pribluda in seinem Koffer einen schwarzen Gürtel mit sich herumgetragen.
     
    Die wesentlich aufschlußreichere Tatsache war die, daß Pribluda sehr viel mehr Geld gehabt hatte, als man in dem Reifenschlauch bei ihm gefunden hatte. Arkadi schaltete den Computer aus und durchsuchte die Wohnung erneut, was mehr seiner Arbeitsweise entsprach. Diesmal leerte er alles einschließlich der Schuhe und Hutbänder. In einer Hose im Kleiderschrank fand er zwei abgerissene Eintrittskarten. Im Medizinschrank entdeckte er zweitausendfünfhundert amerikanische Dollar, die neben ein paar Tabletten zusammengerollt in einem weißen Aspirinröhrchen steckten.
    Was ihn auch nicht viel weiterbrachte. Trotzdem war Arkadi zufrieden, irgendwas gefunden zu haben. Er holte sich ein Messer aus der Küche und ließ sich vom Blau des Meeres nach draußen auf einen Balkonstuhl locken. In einem Moment war er noch voller Energie, im nächsten kaum noch in der Lage, seine Beine zu bewegen. Waren es die sechs Stunden Zeitunterschied zu Moskau? Angst? Eine leichte Brise wehte, und das Gewicht des Messers drückte beruhigend auf seinen Bauch, als er, abgekühlt durch den Schweiß auf seinem Gesicht, einschlief.
    Er erwachte von anschwellendem Sirenengeheul. Die Sonne war auf die andere Seite des Malecon gewandert, auf dem Boulevard rauschte eine Vorhut von vier Motorrädern heran, deren Weg durch Polizisten freigeräumt worden war, die plötzlich an allen Kreuzungen aufgetaucht waren, sämtlichen Verkehr gestoppt und Fahrräder und Rikschas aus dem Weg gescheucht hatten. Den Motorrädern folgte ein lautlos vorbeigleitender Konvoi, der die Leute auf dem Bürgersteig anhalten ließ. Alle Augen wanderten von Wagen zu Wagen, von dem kastenförmigen Landrover über den breiten Hammer bis zu dem kleinen Lada des Innenministeriums, der wie ein Schoßhündchen vor zwei schwarzen Mercedes 280 mit getönten Scheiben und den schwankenden Panzerfahrzeugen her tuckerte, von Übertragungs- und Krankenwagen über den nachfolgenden Landrover bis zu der Nachhut von vier Motorrädern - ein energetischer Wirbelsturm, der das gesamte Volk auf dem Malecon wie in Trance erstarren und erst wieder erwachen ließ, als der Zug vorbei war.
    Vom Bürgersteig wurde Arkadis Name gerufen, und er sah Erasmo, der sich in seinem Rollstuhl zurücklehnte. »Hast du ihn gesehen, bolo?« Erasmo faßte sich in Anspielung auf El Lider, El Commandante an den Bart, Fidel persönlich. »Das war er?«
    »In einem der beiden Mercedes. Oder sein Doppelgänger. Das weiß niemand, die Termine des Commandante und die Routen seiner Kolonne werden nie vorher bekanntgegeben. Das ist im Grunde das einzig Überraschende in Kuba.« Erasmo grinste und schwenkte den Rollstuhl hin und her. »Sie haben gesagt, Sie wollten mit Mongo reden. Nun, er ist nicht zur Arbeit gekommen.«
    »Hat er Telefon?«
    »Sehr witzig. Kommen Sie runter, dann suchen wir ihn. Es ist ein zu schöner Tag, um drinnen zu hocken. Ich werde Ihnen die kubanische Sicht der Dinge zeigen.«
    Arkadi dachte, daß es draußen vielleicht sehr schön sein könnte, wenn man nicht gerade in einer gepanzerten Limousine mit Gefolge unterwegs war, doch solange Luna dort draußen lauerte, fühlte er sich in der Wohnung sicherer.
    »Hören Sie«, gab Erasmo zu, »ich brauche einen Fahrer.«
     
    In einem Jeep mit voll aufgedrehtem Radio

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