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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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und wieder aus dem Blickfeld verschwanden wie Zauberkünstler, die sich in Luft auflösten. Sie lehnten sich in ihre Reifen zurück, zogen ihre Flossen aus, richteten sich auf und hoben die Paddel aus dem Wasser. Einer ruhigeren Stelle folgte eine Rinne mit Treibsand, hinter der sich drei neue Wellen auftürmten. Beide Männer entschieden sich für denselben Wellenkamm, auf dem sie mit langen Zügen um die Wellenbrecher herum auf das Riff zuschwammen. Der erste hielt mit einer Hand seinen Reifen und stützte sich mit der anderen an den Felsen ab, während er bäuchlings an Land gespült wurde. Der zweite war ein älterer Mann mit einem Strohhut, der seine Landung so genau mit der Brandung synchronisierte, daß er sich von der Welle direkt auf die Koralle tragen ließ, wo er aufrecht stehenblieb. Die ausgefranste Krempe seines Hutes zitterte in der Brise, sein Hemd und seine Hose waren ausgebleicht, schwarze Unterschenkel endeten in grauen, schwieligen Füßen. Er fand ein kleines, von der Flut hinterlassenes Becken, in dem er seinen Fang lagerte, während er seine Ausrüstung zwischen dem Reifen und dem Netz verstaute, aus denen sein Einpersonenboot bestand. Trotz des Gewichts des tropfenden Reifens, den er auf dem Kopf balancierte, gelang es ihm, ein Streichholz anzureißen und den Zigarrenstummel in seinem Mund anzuzünden.
    Arkadi zückte das Foto vom Havana Yacht Club, damit Erasmo es dem Fischer zeigen konnte. Der Mann wies mit einem Finger zuerst auf Mongo und dann zum Himmel. »Pe’cando con cometa. Con cometa.«
    »Das dachte ich mir.« Erasmo machte Arkadi auf einen Punkt am Himmel aufmerksam. »Sehen Sie den Drachen? Der alte Mann sagt, daß er Mongo dort vielleicht hat fischen sehen. Selbst aus der Luft fängt der fleißige Kubaner seinen Fisch.« Arkadi dachte an Pribludas Herzinfarkt. »Könnten Sie ihn fragen, ob er auch bei Regen fischt?«
    »Er sagt, >klar<.«
    »Und bei Gewitter?«
    Der Alte schüttelte schweigend den Kopf. »Nie.«
    »Und wann war das letzte Gewitter über der Bucht?«
    »Er sagt, vor einem Monat.«
     
    Sie nahmen den Jeep. Da der Drachen jedoch zu weit über dem Wasser stand, um ihn von der Straße aus im Auge zu behalten, blieb Arkadi stehen, um erneut nachzusehen. Von einer Strandtreppe aus sah er etwa zweihundert Meter entfernt eine dünne Gestalt mit einer Mütze, die auf den Stufen einer Betontreppe stand und an einer Leine zog, die in einer eleganten Kurve himmelwärts verschwand. Etwa dreihundert Meter über dem Wasser segelte ein Drachen im ablandigen Wind. Der Jeep hupte. »Tut mir leid, aber Sie hätten sie sehen sollen«, erklärte Erasmo, als Arkadi zum Wagen zurückkehrte. Arkadi drehte sich um und sah zwei langbeinige Blondinen auf Rollschuhen auf der Straße verschwinden. »Jineteras auf Rädern, der Traum eines Mechanikers.«
    »Wir suchen Mongo.«
    »Richtig. Also, um mit einem Drachen zu fischen, braucht man zwei Schnüre«, sagte Erasmo, als sie weiterfuhren. »Eine für den Drachen und eine für den Haken. Die erste Schnur zieht die zweite mit nach oben, und wenn der Drachen weit genug über dem Meer ist, um die Fische zu fangen, nach denen sie angeln, ziehen sie an der zweiten Leine, und die fällt ins Wasser.«
    »Was ist mit den Charterbooten?«
    »Sehr amüsant. Die Touristen spielen Hemingway, und plötzlich läßt ein armes kubanisches Schwein vom Strand aus einen Haken vom Himmel fallen.«
    Obwohl Mongo von der Straße aus nicht zu sehen war, führte die Drachenschnur sie, als sie näher kamen, zu zwei limonen-grünen Strandhäusern mit verrammelten Fenstern, die wie siamesische Zwillinge im ersten Stock miteinander verbunden waren. Auf dem Dach sprießte Unkraut. Arkadi hievte Erasmo in seinen Rollstuhl, und sie gingen über einen Weg, der zwischen den Häusern hindurch an einen von Fischschuppen glänzenden Felsstrand führte. In einem Riß zwischen den Betonstufen steckte das Blatt einer Schaufel. An ihrem hölzernen Schaft drehten sich zwei Spulen, zwei Schnüre spannten sich summend zu dem Drachen über dem Meer. Auf dem Griff des Spatens flatterte eine grüne Baseballmütze. Arkadi war sich nicht sicher, ob er Mongo oder den Schaufelgriff gesehen hatte. Und das Hupen war sicherlich auch nicht hilfreich gewesen.
    »Wohin könnte er so schnell verschwunden sein?« fragte Arkadi. »Er ist flink. Deshalb haben Sie ihn im Ring ja auch den >Wendigen Mongo< genannt.«
    »Warum sollte er davonrennen?«
    »Sie hätten ihn was gefragt, aber die Leute halten

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