Nacht in Havanna
selbst, das ist alles. Wie dem auch sei, sagen wir, der Grund, der Sie zu dem Club geführt hat, ist Ihre Zigarre. Wir müssen bloß darauf warten, daß Sie sie anzünden. Für den Augenblick belassen wir es einfach dabei, daß Sie neugierig waren.«
»Oder erstaunt.«
»Worüber?« fragte Walls.
»Daß der Club die Revolution überlebt hat.«
»Wir sprechen hier vom Havana Yacht Club«, sagte O’Brien. »Die Franzosen haben zwar Ludwig enthauptet, aber doch nicht Versailles niedergebrannt. Fidel hat den Club, die großartigste und wertvollste Immobilie des gesamten Landes, einfach einer Bauarbeitergewerkschaft überlassen und erhebt nun von jedem Kubaner, ob schwarz oder weiß, für das Betreten des Strandes eine Gebühr von einem Peso. Sehr demokratisch und kommunistisch, wirklich bewundernswert.«
Walls wies auf den maurischen Turm. »Das Casino La Concha auf der einen Seite der Bucht ging an die Gewerkschaft für Nahrung, Genuß und Gaststätten, und die Hunderennbahn wurde in einen Sportplatz umgewandelt.«
»Ich habe weiß Gott großen Respekt vor Idealismus«, sagte O’Brien, »aber lassen Sie es mich so formulieren. Das Potential dieser Immobilien ist wegen derlei ehrenwerter Bestrebungen längst nicht vollkommen ausgeschöpft. Hier bietet sich die Möglichkeit, etwas von großem Wert für das kubanische Volk zu schaffen.«
»Und an dem Punkt kommen Sie ins Spiel?«
»Hoffentlich. Ich bin Immobilienmakler und Bauunternehmer, Arkadi, und das bin ich noch immer. Ich bin ein ehrlicher Geschäftsmann, das kann George Ihnen bestätigen. Disney, das ist ein Immobilienhai. Wenn die anfangen, irgendwo Land aufzukaufen, gründen sie eine kleine Firma, die daherkommt wie ein freundlicher Nachbar, der ein kleines Naturschutzgebiet einrichten will und dafür hier ein paar Hektar und dort ein paar Hektar kauft, und dann wacht man eines Morgens auf, und vor dem Fenster steht eine siebzig Meter hohe Mickey Mouse. Ich lege meine Karten offen auf den Tisch. Jeder große Bauunternehmer möchte sich ein Denkmal errichten, seinen eigenen Eiffelturm, sein persönliches Disneyland. Ich möchte den Havana Yacht Club wieder zum Mittelpunkt der Karibik machen, größer und besser denn je. Sehen Sie, die Regierung hat Varadero Beach und Cayo Largo hochgezogen, weil sie die Touristen so weit wie möglich von den Kubanern trennen wollte«, fuhr Walls fort. »Aber die Touristen wollen Havanna. Sie wollen die Mädchen im Tropicana, einen Spaziergang durch Habana Vieja und die ganze Nacht im Palacio de la Salsa tanzen. Die Regierung kommt endlich auf den Trichter, sie restauriert den Malecon und baut die alten Hotels wieder auf, weil die Touristen es gern stilvoll haben. Glücklicherweise befindet sich der Havana Yacht Club wie durch ein Wunder in erstklassigem Zustand.
Der Erhalt kostet den Staat eine halbe Million Pesos pro Jahr. Erklär ihm, daß die Anlage dem Staat jährlich dreißig Millionen Dollar einbringen könnte, George.«
»Das stimmt«, sagte George.
O’Brien wies auf den Strand und den Club. »Das könnten ein Konferenzzentrum, Restaurant, Nachtclub und zwanzig Suiten werden, dazu kämen neu zu bauende Ferienwohnungen und Apartmentkomplexe. Plus Kuranlagen, Ankerplätze für Boote, Anlegestellen für Luxuskreuzfahrtschiffe. Was ich Ihnen schildere, Arkadi, ist eine Goldmine, die darauf wartet, daß jemand die Schaufel in die Hand nimmt.«
Arkadi fragte sich unwillkürlich, warum zwei hochgestellte amerikanische Flüchtlinge ihre kühnsten Hoffnungen mit ihm teilen wollten, doch er spürte, daß O’Brien die Sorte Verkäufer war, der die eigene Vorstellung genoß wie ein Schauspieler, der im augenzwinkernden Einverständnis mit seinem Publikum die absurdesten Verse vorträgt. Da Arkadis Erfahrungen mit dem Bausektor sich auf seine Zeit in Sibirien beschränkten, fühlte er sich mit der Kostenrechnung eines Luxusprojekts leicht überfordert. »Den Club in ein Hotel umzuwandeln, könnte teuer werden.«
»Zwanzig Millionen«, nahm Walls den Faden auf. »Wir würden die Investoren auftreiben, ohne daß die kubanische Regierung auch nur einen einzigen Peso oder Dollar aufbringen müßte.«
»Viele Menschen«, warf O’Brien bescheiden ein, »würden das ein Geschenk nennen.«
»Und was wollen Sie als Gegenleistung?« fragte Arkadi. »Raten Sie mal«, sagte O’Brien. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«
O’Brien beugte sich vor, als schickte er sich an, ein großes Geheimnis mit Arkadi zu teilen. »Im
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