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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Mädchen in einem Nike-Hemd neben einem blonden Jungen, dessen T-Shirt mit einem Che-Porträt geschmückt war.
    Erneut ergriff O’Brien Arkadis Hand mit beiden Händen und schüttelte sie überschwenglich. »Sie wohnen neben dem Santero, soweit ich weiß. Morgen reden wir weiter.«
    »Über eine >Position< für mich? Ich glaube, mir fehlt die Qualifikation. Ich weiß nichts über Kasinos.«
    »Die Art, wie Sie mit Sargento Luna umgegangen sind, schien mir äußerst qualifiziert. Und was Kasinos betrifft, morgen machen wir mit Ihnen eine große Tour durch die Lasterhöhlen von Havanna. Stimmt’s George?«
    »Sie könnten Ihr eigenes Boot hier haben«, sagte Walls. »Nachts kommen die Mädchen und klopfen. Sie machen auch sauber und kochen, nur um an Bord bleiben zu dürfen.« Arkadi sah sich unter seinen potentiellen Yachtbesitzernachbarn um. »Und wie sind die Amerikaner so?«
    Walls lächelte leicht gequält. »Nun, einige sind Freigeister, andere sind die gleichen stiernackigen Rassisten, denen ich vor dreißig Jahren entkommen wollte. Ein Mistkerl aus Alabama hat mich gebeten, ihm ein Autogramm auf meinem Fahndungsplakat zu geben. Er meinte, es wäre ein Sammlerstück. Ich hätte ihm am liebsten den Sack aufgeschlitzt und seine Eier eingesammelt.«
    »Tja«, meinte O’Brien, »zum Souvenir zu verkommen muß auch eine Art Tod sein. Sie werden es sich überlegen, Arkadi?«
    »Es ist ein ziemlich unglaubliches Angebot.«
    »Denken Sie ernsthaft darüber nach«, sagte O’Brien. »Ich verstehe, daß es einem schwerfällt, von einem Schiff zu springen, selbst wenn es sinkt.«
     
    Es gab solche und solche Tode. Als er den Yachthafen durch das Tor zur Straße verließ, kam Arkadi ein Fischer entgegen, der unter dem Gewicht eines auf eine riesige Holzplatte montierten Marlins taumelte. Der Fisch war im Sprung konserviert worden, die Rückenflosse aufgefächert, sein Schwert herausfordernd gen Himmel gereckt, das ganze Tier in einem so unwirklichen metallischen Blau, daß es auch ein Mini-U-Boot hätte sein können, und Arkadi erinnerte sich, daß er in Moskau einmal mit Pribluda am Fluß entlang bis zur Erlöserkirche gegangen war. Es war Frühling, der Fluß führte hohes, reißendes Wasser, und unter der Alexanderbrücke standen Männer, die mit langen, peitschenartigen Ruten angelten. »Welcher halbwegs normale Mensch würde einen in Moskau gefangenen Fisch essen?« hatte Pribluda gefragt. »Der muß ja zäh sein wie eine Stiefelsohle. Wenn du mich je mit einer Angelrute mitten in Moskau erwischst, Renko, tu mir einen Gefallen. Erschieß mich.«
     
    15
     
    Ofelia erreichte den Pool der Casa del Amor und hörte aus einem der Zimmer ein Radio plärren, Los Van Van sangen »Muevete!«, die hölzernen claves tanzten über ihren Rücken, und sie dachte nicht zum erstenmal, wie sehr sie der Musik mißtraute. Es war also ein Schock gewesen, ihren Finger auf die Vene des Russen zu legen und den Rhythmus seines Pulsschlags zu spüren. »Willst du ihn nicht reinlassen, darfst du dich nicht einlassen«, war einer der Lieblingssprüche ihrer Mutter. Genauso: »Wer nicht angegrapscht werden will, darf nicht mit dem Arsch wackeln.« Mit dem Arsch zu wackeln, war die kubanische Methode, dachte sie manchmal. Das Leben war deshalb ein solches Durcheinander, weil ihr Gehirn zu den ungünstigsten Zeitpunkten und bei den unmöglichsten Männern irgendein Signal aussandte, das ihr befahl: »Muevete!« Der 57er Dodge Coronet mit den privaten Nummernschildern, den man ihr für Überwachungen zugeteilt hatte, parkte im Schatten eines Kapokbaums am Straßenrand. Die vordere Stoßstange hing nach zu vielen Zusammenstößen nur noch an Drähten. Sie kannte das Gefühl.
    Da der Strand an diesem Teil des Malecon aus flachen Felsen und Korallenschotter bestand, war die Casa del Amor um einen Swimmingpool mit Terrasse gebaut worden, die bis auf zwei Tischtennis spielende Jungen menschenleer war. Am frühen Nachmittag unternahmen die meisten jineteras und ihre neuen Freunde eine Rickschafahrt durch Alt-Havanna, schlürften mojitos in der Bodeguita del Medio oder lauschten auf der Plaza de la Catedral romantischer Musik. Später folgten ein Boutiquenbummel und ein Abendessen in e’mempaladar, wo ein Teller mit Reis und Bohnen den Wochenlohn eines Kubaners kostete, dann ein bißchen Sex in der Casa del Amor und anschließend ein langer Abend in einem der Tanzclubs.
    Wenn Kubaner zur Casa del Amor kamen, um ihrer Leidenschaft zu frönen, waren

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