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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Hund könnte auch schwimmen, doch Goya hat das Bild >Ertrinkender Hund< genannt. Wenn ich Sie ansehe, sehe ich diese Augen. Sie ertrinken, und ich reiche Ihnen die Hand, um Sie aus dem Wasser zu ziehen. Haben Sie die Kraft, sie zu ergreifen?«
    »Und das Geld?« fragte Arkadi, um die Phantasie weiterzuspinnen.
    »Vergessen Sie das Geld. Ja, Sie wären reich, hätten eine kubanische Villa, ein Auto, Mädchen, was auch immer, aber darum geht es nicht. Es geht darum, daß Sie ein Leben hätten, das Sie genießen könnten.«
    »Wie würde ich das machen?«
    »Ihr Visum läßt sich verlängern«, übernahm Walls. »Wir haben Freunde, die das regeln, und dann können Sie so lange bleiben, wie Sie wollen.«
    »Und Sie würden sich keine Sorgen mehr machen, daß ich am Havana Yacht Club herumlungere?«
    »Nicht, wenn Sie mit im Team sind.«
    »Wir bieten Ihnen keinen Freifahrtschein«, sagte O’Brien, »aber Sie wären Teil von etwas Großem, etwas, worauf man stolz sein kann. Als Gegenleistung erwarten wir von Ihnen nur einen kleinen Vertrauensbeweis. Warum waren Sie am Havana Yacht Club? Wie sind Sie auf die Idee gekommen?«
    Bevor Arkadi antworten konnte, war das Boot mit einem Mal von heller werdendem Licht umgeben. Er blickte über die Reling und sah im Wasser tausend Löffel, in denen sich die Sonne spiegelte.
    »Bonitos«, sagte O’Brien.
    »Ziehen sie immer von Ost nach West?« fragte Arkadi.
    »Gegen die Strömung«, sagte Walls. »Thunfische schwimmen gegen die Strömung, also tun es die Marline auch, und irgendwann auch die Boote.«
    »Eine kräftige Strömung?«
    »Klar, der Golfstrom.«
    »Und er treibt auf die Bucht zu?«
    »Ja.«
    Die Fische schossen aus dem Wasser, erst einer, dann Dutzende. Die »Gavilan« war von schillernden glasigen Bogen umgeben, und ein feiner Salzwassernieselregen ging auf sie nieder. Binnen Sekunden hatte sich der gesamte Schwärm zerstreut und war durch einen länglichen Schatten mit blauen Brustflossen ersetzt worden.
    »Ein Marlin«, sagte Walls.
    Scheinbar mühelos hielt der große Fisch mit dem Schatten des Bootes mit, dabei zog er einen blassen pinkfarbenen Schleier hinter sich her.
    »Er läßt sich Zeit«, bemerkte Arkadi.
    »Er versteckt sich«, sagte Walls. »Er ist ein Killer, ein Heckenschütze. Das ist seine Taktik. Er schlitzt erst einen ganzen Schwarm Thunfische auf, um dann später zum Fressen zurückzukommen.«
    »Angeln Sie?«
    »Mit einer Harpune. Da sind die Chancen gerechter verteilt.«
    »Und Sie?« fragte Arkadi O’Brien.
    »Kaum.«
    Von oben sah das Schwert des Marlin aus wie die feine Linie eines Zeichners, gezückt, doch beinahe unsichtbar. Die Männer beobachteten ihn gebannt, bis der Fisch schließlich abtauchte, blau in blau.
    Sie brachten Arkadi nicht zum Havana Yacht Club zurück, sondern bahnten sich einen Weg zwischen den Fischerbooten vor dem Westufer der Bucht. Am äußeren Steg der Marina Hemingway winkte ein Trio von Grenzschützern in Drillichuniform träge ein Boot in den Yachthafen. Die »Gavilan« steuerte den inneren Anlegesteg an, wo zwischen den Strohsonnenschirmen und der Discobühne einer Cafeteria, aus der der Geruch gegrillter Hühnchen und ein plärrender Beatles-Song drangen, ein Haken zum Wiegen von Fischen hing. Obwohl mit Netzkork ein Schwimm- und Tauchbecken markiert war, hatten sich die Schnorchler entlang des Kanals versammelt, als Walls einen freien Liegeplatz ansteuern wollte. Nicht Hemingway, aber immerhin ein alter Mann mit Hut und einer zu einer Kette zusammengebundenen Schlange von Minibierdosen versuchte Walls zu verscheuchen, während er den Badenden wütend zurief: »Peligroso! Peligroso!«
    Walls machte einen weiten Bogen um die Taucher, folgte dem Kanal und wendete. Fischerboote mit Halterungen für Angelruten und offenen Steuerständen glitten vorbei, Rennboote, flach und farbig wie Sonnenblenden. Luxusyachten mit Sonnendeck und niedrigem Freibord für Wasserskiläufer, ozeantaugliche Paläste des Überflusses und Müßiggangs aus weißem Fiberglas. Die Rufe, die von dem Volleyballnetz herüberdrangen, waren rein amerikanisch.
    »Texaner«, sagte Walls. »Segler vom Golf. Sie lassen ihre Boote das ganze Jahr über hier.«
    Entlang des gesamten Kanals wienerten Menschen ihre Boote, trugen Taschen mit Lebensmitteln und Wäsche oder schoben Karren mit Gasflaschen vor sich her. Walls legte am Ende des inneren Kanals an, wo ein Supermarkt Sonnenschutzcreme und Johnnie Walker feilbot. Vor dem Laden saß ein kubanisches

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