Nacht in Havanna
gegen übereilten Waffengebrauch geklebt. Ofelia stopfte das Poster in einen Papierkorb und stellte ein Tonbandgerät mit zwei Mikrofonen auf den Tisch. Die dritte Person im Raum war Dora, die Streifenbeamtin, die am Pool Wache gehalten hatte, eine ältere Frau mit einem durch Erfahrung traurigen Gesicht.
Teresa Guiteras Marin war vierzehn, eine Achtkläßlerin aus dem kleinen Städtchen Ciego de Avila. Ofelia hatte sie bereits einmal verwarnt, keine Touristen unweit der Manna Hemingway anzusprechen. Ofelia fragte das Mädchen, wo es seinen Freund getroffen habe (zufällig auf dem Malecon), ob er ihm Geld oder Geschenke angeboten habe (nichts bis auf eine Swatch, eine Freundschaftsgabe), wessen Idee es gewesen war, die Casa del Amor aufzusuchen (seine), wer an der Rezeption gezahlt hatte und wieviel (er, und sie wußte nicht, wieviel, doch er hätte ihr auch eine Rose gekauft, die sie gern noch aus dem Zimmer holen würde). Als letztes fragte Ofelia, ob sie irgendeinen Angehörigen der PNR gesehen, ihn bezahlt oder in irgendeiner anderen Weise Kontakt mit ihm gehabt habe. Nein, schwor Teresa, das habe sie nicht. »Dir ist doch klar, daß du eine Strafe von hundert Pesos bezahlen mußt und auf die Liste der Prostituierten gesetzt wirst, wenn du nicht mit uns zusammenarbeitest. Und das mit vierzehn.« Teresa streifte ihre Plateausandalen ab und legte ihre Beine auf einen Stuhl. Dabei spulte sie ihr ganzes Kleinmädchenrepertoire vom Schmollmund bis zum unschuldigen Augenaufschlag ab. »Ich bin keine Prostituierte.«
»Das bist du doch. Er hat dir zweihundert Dollar bezahlt, damit du eine Woche lang mit ihm zusammenbleibst.«
»Hundertfünfzig.«
»So billig verkaufst du dich.«
»Wenigstens kann ich mich verkaufen.« Teresa wickelte eine Locke um ihren Finger. »Das ist mehr, als Sie je kriegen werden.«
»Mag sein. Aber du mußtest dir eine gefälschte Aufenthaltsgenehmigung kaufen, um in Havanna zu bleiben. Du mußtest illegal einen Raum zum Schlafen mieten und dann ein Zimmer in der Casa del Amor, um dort zu bumsen. Und vor allem mußt du die Polizei bezahlen.«
»Nein.« In diesem Punkt wirkte Teresa sehr entschieden. »Hast du einen Freund, der sich darum kümmert?«
»Vielleicht.«
Es war dieses gespaltene Bewußtsein, das Ofelia wahnsinnig machte. Teresa hielt sich nicht für eine Prostituierte, nein. Jineteras waren Studentinnen, Lehrerinnen oder Sekretärinnen, die sich lediglich ein bißchen was dazuverdienten. Manche Eltern waren regelrecht stolz darauf, daß ihre kleinen Teresas dazu beitrugen, die Familie zu ernähren; ja, es gab sogar regelmäßige Besucher, die es nicht wagten, ohne ein Geschenk für die Mutter, den Vater und den kleinen Bruder ihrer Lieblingschwester nach Kuba zu kommen. Das Problem war Aids, und es war, als würde man junge Mädchen in den Schlund eines Drachens stoßen. Nur daß man sie nicht stoßen mußte, sie standen freiwillig Schlange, um zu springen.
»Jetzt arbeitest du also schon an zwei verschiedenen Orten«, sagte Ofelia, »tagsüber in der Casa del Amor und abends bei den Booten. Ist das das Leben, das du führen möchtest?« Teresas Augen funkelten durch ihre Haare. »Besser als Schule.«
»Auch besser als das Krankenhaus? Hast du deinen deutschen Freund untersucht?«
»Er war sauber.«
»Ach, hast du ein kleines Labor?«
Es war, als ob man mit einem Kind diskutierte. Sie würden sich nie anstecken, sie nahmen schließlich Vitamine, Anis und Essig. Und die Männer weigerten sich, Kondome zu benutzen, weil sie schließlich nicht um die halbe Welt geflogen waren, um nur eine halbe Zigarre zu rauchen.
»Hija, hör mir gut zu. Wenn du mir nicht den Namen der Polizisten nennst, die Geld von dir bekommen, setze ich dich auf die Liste der Prostituierten. Dann wirst du bei jeder Razzia einkassiert. Und wenn man dich dann noch mal erwischt, kommst du für mindestens zwei Jahre in ein Umerziehungslager. Das ist kein schöner Ort zum Aufwachsen.«
Teresa zog ihre Knie an den Körper und starrte Ofelia finster an. Ihr Schmollmund war genau wie Muriels, und sie war nur drei Jahre älter.
Herr Lohmann hatte in einem Verhörzimmer gewartet. Er verschränkte die Arme und lehnte sich zurück, als Ofelia seine Visa betrachtete. Er sprach eine Art Lederhosenspanisch. »Also habe ich ein Zimmer im Hotel Capri und ein weiteres in der Casa del Amor, na und? Ich habe für beide bezahlt. Doppeltes Geld für Kuba.«
»Woher wußten Sie überhaupt von der Existenz der Casa del
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