Nacht in Havanna
Spanisch anstatt Englisch und Deutsch gelernt hätte, die einem nur in den Naturwissenschaften, in Medizin, Philosophie, bei internationalen Geschäften und für das Verständnis von Shakespeare und Goethe weiterhalfen. Bei Zucker war offenbar Spanisch der Schlüssel. Arkadi versuchte es trotzdem:
Ein Dokument trug den Titel »Negociacion Russo-Cubano« und enthielt Namenlisten: russische für das »Ministerio de Commercio Exterior de Rusia« (Bykow, Plotnikow, Tschenigowskij), kubanische für das kubanische »Ministerio de Azucar« (Mesa, Herrera, Suarez) und eine dritte Liste der panamaischen Vermittler von der AzuPanama (Ramos, Pico, Arenas).
Ein »Certificado del Registro Publico« für die AzuPanama, S. A. mit einer Liste der »directores«, die identisch mit den Vermittlern waren, die Senores Ramos, Pico und Arenas.
Eine »Referenzia Bancaria« von der AzuPanama für die Bank for Creative Investments, S. A. »Zona Libre de Colön«, unterzeichnet vom Generaldirektor der Bank, John O’Brien.
Kopien der kubanischen Pässe von Ramos, Pico und Arenas inklusive Paßfotos.
Kubanische Flugtickets von Havanna nach Panama für Ramos, Pico und Arenas.
Eine Rechnung des Hotel Lincoln, Zona Libre, Colön, für die Zimmer von Ramos, Pico und Arenas. Rechnungsempfänger war das kubanische Zuckerministerium.
Eine lange Liste russischer Verpflichtungen, zahlbar in Waren und Bargeld im Gesamtwert von zweihundertzweiundfünfzig Millionen Dollar für kubanischen Zucker.
Eine überarbeitete Liste nach Vermittlung der AzuPanama im Gesamtwert von zweihundertzweiundsiebzig Millionen Dollar.
Ein Einzahlungsbeleg über fünftausend Dollar auf den Namen Vitali Bugai bei der Bank for Creative Investments, S. A. Zona Libre, Colon, Republica de Panama.
Mit anderen Worten, die Vermittler Ramos, Pico und Arenas waren Kubaner, die neutrale AzuPanama war eine Schöpfung des kubanischen Zuckerministeriums und der Bank for Creative Investments. Arkadi sprach zwar kein Spanisch, aber seine arithmetischen Grundkenntnisse reichten aus, um zu begreifen, daß Kuba Rußland um weitere zwanzig Millionen Dollar betrogen hatte, ein Bettler, der einen anderen bestahl. Und er begriff auch, daß der stille Teilhaber dieses Betrugs der Pirat war, dem Capones Boot gehörte.
Von nahem wirkte die Iris in Muriels dunklen Augen wie das aufflackernde Licht der Sonne, das erschreckende Einblicke in ihre neunjährige Seele erlaubte. Ofelias Befragung fiel kurz aus, weil ihre Tochter ein Vergehen zugab, das schlimmer war als die Vorwürfe der Lehrerin. Sie hatte die Banane gekauft.
»Die Arbeiter auf der Plantage haben sie verkauft. Ich hatte einen Dollar von Großmutter. Wir haben ein ganzes Bündel gekauft.«
»Ein Bündel? Senorita Garcia hat nur eine Banane gefunden.«
»Jeder aus der Klasse hat eine Banane versteckt. Sie hat nur meine gefunden.«
Ofelias Mutter wippte auf ihrem Schaukelstuhl hin und her. »Wir haben alle anderen bekommen, keine Sorge.«
»Darum geht es nicht«, sagte Ofelia wütend. »Du hast meine Töchter zu Schwarzhändlerinnen gemacht.«
»Eine Lektion in Kapitalismus.«
»Die Arbeiter auf den staatlichen Plantagen dürfen keine Bananen verkaufen.«
»Eine Lektion in Kommunismus.«
»Meine Klasse besucht eine Fabrik, in der Bälle gemacht werden«, sagte Marisol, Ofelias jüngere Tochter. »Ich kann welche besorgen.«
»Gut«, sagte Ofelias Mutter, »vielleicht können wir sie kochen.« In ihrer Phantasie sah Ofelia die militante Senorita Garcia drohend über ihren Töchtern stehen, während ihre Mutter sie verteidigte wie eine Glucke im Hauskittel, das Universum der Familie, im Inneren und Äußeren umkämpft. »Ich gehe duschen.«
»Und was dann?« fragte ihre Mutter. »Ich muß noch mal weg.«
»Um diesen Mann zu treffen?«
»Er ist kein Mann, er ist ein Russe.«
Arkadi ertappte sich dabei, auf die Kommissarin gewartet zu haben, auf ihren inquisitorischen Blick, ihren Anblick in Shorts und Pullover, ihre Strohtasche mit der Pistole. Er hatte alle Azu-Panama-Dokumente außer Sichtweite geräumt, so daß sie ihren Blick nach Herzenslust schweifen lassen konnte. »Haben Sie heute ein Foto von Pribluda aufgetrieben?«
»Nein.«
»Nun, ich habe ein Foto für Sie gefunden«, erklärte sie, seine Überraschung offensichtlich genießend. »Erinnern Sie sich an Hedy?«
»Wie könnte ich Hedy vergessen?«
Kommissarin Osorio berichtete ihm von den beiden Leichen in der Casa del Amor, Hedy Guzman und ein
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