Nacht in Havanna
unter die Nase, ohne mir zu sagen, woher Sie sie haben. Ich werde sie nicht anfassen.«
Der Abend nahm einen anderen Verlauf, als Arkadi gehofft hatte. »Sie können sie überprüfen.«
»Ich helfe Ihnen nicht. Ich weiß eigentlich gar nichts über Sie. Ich habe nur Ihr Wort und ein Foto als Beweis dafür, daß Sie Pribludas Freund sind. Mehr weiß ich nicht. Ich habe nur Ihr Wort.«
»Nein, das stimmt nicht.« Ihre Worte hatten eine Frage herauskristallisiert, die ihn zuvor nur vage beschäftigt hatte. Wie war sein Foto aus Pribludas Wohnung zu Hedy gelangt? »Haben Sie Luna Pribludas Foto von mir gegeben?«
»Wie können Sie so etwas fragen?«
»Weil es logisch wäre. Lassen Sie mich raten. Nach der Autopsie sind Sie hierhergekommen, um Fingerabdrücke zu sichern, und haben das Foto dieses elenden Russen gefunden, der gerade angekommen war. Natürlich haben Sie Luna angerufen, der Sie angewiesen hat, ihm das Foto mitzubringen.«
»Niemals.«
»Luna wiederum hat es der armen Hedy gegeben. Haben Sie Luna die ganze Zeit geholfen?«
»Nicht auf diese Weise.«
»Haben alle kubanischen Polizisten einen Eispickel und einen Baseballschläger bei sich?«
»Wenn Sie Luna mit einer Machete sehen, bolo, dann ist es Zeit, sich zu fürchten. Sie hätten in Moskau bleiben sollen. Dann würden einige Menschen noch leben.«
»Da haben Sie allerdings recht.«
Kommissarin Osorio schnappte sich ihre Tasche. Sie war schon aus der Tür, bevor er sich fragen konnte, ob er die Sache mit der AzuPanama wirklich optimal angegangen war. Warum sollten bloße Beweise einen Kubaner beeindrucken? Schließlich waren sie in Havanna, einem Ort, wo Zuckerattaches in der Bucht trieben, ein Havana Yacht Club nicht oder doch oder nur vielleicht existierte, einem Ort, wo ein Mädchen in zwei aufeinanderfolgenden Nächten den Kopf verlieren konnte. Die Lüge der Kommissarin wegen des Fotos war einfach eine Absurdität zuviel gewesen. Trotzdem hatten seine Worte eine häßliche Schärfe gehabt, die er bedauerte.
Als sie die Straße erreicht hatte, fiel Ofelia ein, daß Renko bis auf den Riegel vor seiner Tür schutzlos war, falls Luna zurückkommen sollte. Sie hatte dem Russen nicht erzählt, wie Luna ausgesehen hatte, als er sich in dem Liebesmotel über Hedys Leiche gebeugt hatte, wie seine Augen rot geworden waren und seine Gesichtsmuskeln gezuckt hatten wie eine geballte Faust. Oder daß der Sargento später im Archiv auf sie gewartet hatte und sie das Gefühl nicht losgeworden war, einen brodelnden Vulkan vor sich zu haben, als sie sich an ihm vorbeigedrück hatte.
Der abends ohnehin spärliche Verkehr auf dem Malecon war praktisch zum Erliegen gekommen. Selbst die Paare, die normalerweise die Mole entlangschlenderten, waren verschwunden. Ofelia war zornig auf Renko, doch noch viel wütender war sie auf sich selbst. Sie hatte das Foto vom Tatort entfernt. Sie hatte gegen die Vorschrift verstoßen. Und warum? Damit er sie beschuldigen konnte, dasselbe Bild aus Pribludas Wohnung gestohlen zu haben? Inzwischen kannte sie seinen Hang zu frivolen Details, meist gefolgt von einer völlig unerwarteten Frage, die keinen Zusammenhang erkennen ließ. Was die Dokumente anging, die er aus dem Koffer geholt hatte, überraschte es sie keineswegs, wie weit die Russen gingen, um Kuba zu diskreditieren. Sie mußte nur dafür sorgen, daß Renko am Leben blieb, bis sein Flugzeug nach Moskau startete, sagte Ofelia sich. Sie wollte ein reines Gewissen haben.
Entschlossen, sich nicht wieder provozieren zu lassen, betrat Ofelia erneut das Haus. Auf halber Treppe hörte sie über sich Schritte und ein leises Klopfen an Renkos Tür. Als er öffnete, fiel das Licht aus der Wohnung auf eine außergewöhnlich hellhäutige, barfüßige Frau mit geflochtenem schwarzen Haar in einem mexikanischen Kleid. Sie war wie eine langstielige Rose, eine strahlendschöne weiße Blume mit einem leichten Blaustich.
Ofelia erkannte sie von der Santeria-Zeremonie wieder, die Freundin von George Washington Walls, die Tänzerin. Ofelia beobachtete, wie Isabel Renko ihr Gesicht entgegenreckte und ihn küßte. Bevor die beiden sie entdecken konnten, zog sie sich ins Dunkel des Treppenhauses zurück und wurde immer kleiner, bis sie wieder auf der Straße stand.
18
»Sie machen einen Fehler«, erklärte Arkadi Isabel. »Nein, kein Fehler.«
Sie führte seine Hand zwischen ihre Beine, damit er sie durch den Baumwollstoff fühlen konnte, küßte ihn und schlüpfte an
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