Nacht-Mähre
würden. Das heißt, wir haben geglaubt, es zu wissen.«
»Wir haben alle die Mundanier unterschätzt«, sagte die Sirene. »Deshalb ist der Krieg bisher auch so schlecht für uns verlaufen. Wir glauben ständig, daß Leute ohne Magie keine ernste Bedrohung darstellen. Das stimmt überhaupt nicht; tatsächlich sind solche Leute viel skrupelloser, vielleicht gerade wegen dieses Mangels. Deshalb sind sie auch gleich doppelt so gefährlich.«
Auch Imbri mußte einsehen, daß sie die Mundanier falsch eingeschätzt hatte. Sie hatte geglaubt, daß die Punier die Nacht im Lager verbringen würden, um dann am nächsten Tag auf die gleiche Weise die Spalte zu durchqueren, wie es die erste Armee getan hatte. Sie hatten sie reingelegt und kamen nun, geschickt und schnell wie sie waren, ihrem eingesperrten Anführer zu Hilfe. Jetzt sahen sie, welchen Preis sie für ihre Fehleinschätzung zahlen mußten: Die Belagerung fing bereits an, bevor die Verteidigung organisiert worden war.
Der Pferdmensch mußte warten. Jetzt hatte es Vorrang, daß Imbri sich um die Schlacht kümmerte. Die Nächstweller durften Schloß Roogna nicht erobern, jenes letzte massive Symbol der Unabhängigkeit Xanths, und sie durften auch den Pferdmenschen nicht befreien. Wenn sie sich jetzt ins Schloß begab, konnte sie ihn vielleicht töten, aber zur gleichen Zeit war sie während des Tages eine Gefangene des Schlosses und konnte immer noch die Schlacht verlieren, so daß diese Barbaren Xanth doch noch überrennen würden. Wahrscheinlich war selbst ein schlechter Mundanierführer immer noch besser als gar keiner. Wenn sie sich dagegen zuerst den Mundaniern widmete, würde der Pferdmensch in der Zwischenzeit im Schloß gefangen bleiben, so daß sie sich später noch nach Belieben um ihn kümmern konnte.
Andererseits war das auch keine perfekte Lösung. Was, wenn der Pferdmensch wütend wurde und damit begann, die reglosen Körper der Könige zu töten? Durfte sie das riskieren? Wieder schwankte Imbri in ihrer Entscheidung, deren Tragweite für das Schicksal zahlloser anderer Lebewesen und vielleicht sogar ganz Xanths kaum abzusehen war.
»Macht Euch keine Sorgen«, sagte die Sirene, die ihre Gedanken erraten hatte. »Der Pferdmensch wird den Königen kein Haar krümmen. Er hält sie als Geiseln. Er weiß, daß wir einen Harpyienschwarm oder auch andere tödliche Wesen zu ihm ins Schloß schicken würden, wenn wir uns nicht um unsere Leute dort drinnen sorgten. Im Augenblick stellen die Könige für ihn keine unmittelbare Gefahr dar, und er kann nur davon profitieren, wenn er gut für sie sorgt – bis die Mundanier die Schlacht gewonnen und ihn befreit haben. Und wenn sie verlieren sollten, wird er versuchen, die Könige gegen seine Freiheit auszutauschen.«
Das erschien einleuchtend. »Wir müssen uns schnell organisieren«, sendete Imbri. »Die Gorgone muß sich dort aufstellen, wo nur der Feind sie sehen kann, andererseits muß es ein gut geschützter Ort sein, damit sie nicht von Pfeilen getroffen wird.«
»Keine Sorge«, meinte die Gorgone. »Ich werde meinen Schleier nur in Gegenwart eines Mundaniers lüften. Ich kann mich hinter einem Baum verstecken und hervorspähen…«
»Aber die anderen werden sehen, was dem ersten Mundanier zustößt«, wandte die Sirene ein. »Was Kriegslisten angeht, sind die Mundanier sehr vorsichtig. Aber ich kann da wohl Abhilfe schaffen. Der Magier Humfrey hat meine Harfe wiederhergestellt, noch bevor er König wurde. Damit kann ich sie anlocken, nachdem ich wieder meine magischen Kräfte besitze…«
»Zunächst einmal müssen wir sämtliche männlichen Xanther aus dem Gebiet entfernen«, sendete Imbri.
»Ach, wir wissen doch alle, was es mit der Gorgone auf sich hat!« protestierte Grundy. »Wir schauen ihr schon nicht unter den Schleier.«
»Alle männlichen Wesen müssen in Sicherheit gebracht werden«, beharrte Imbri. »Außer Hörweite, damit ihr nicht von der Sirene angelockt werdet. Du, Grundy, und du, Chet, werdet sie jetzt sofort im Namen des Königs warnen. Begebt euch weit fort und kommt erst wieder zurück, wenn jemand von uns euch holt.«
»Huch – Krach ist eben auf Patrouille in den Urwald gegangen«, warf Tandy ein. »Um sicherzugehen, daß die Mundanier sich nicht heimlich aus einer anderen Richtung anschleichen.«
»Wir müssen es tun, Golem«, sagte Chet. »Imbri ist die Königsmähre. Und recht hat sie auch. Wir können Krach und alle Nachzügler warnen.«
»Wir geben euch so viel Zeit
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